Zypresse aus Urzeit gefunden
Im Tagebau ist ein mehr als zwölf Millionen Jahre alter Baumstamm geborgen worden. Das Fossil lag im Sand unterhalb des Kohleflözes.
Grevenbroich. Es ist ein Sensationsfund in der Geschichte des rheinischen Braunkohleabbaus: Als Andreas Wolski am Morgen des Ostersonntags seinen Dienst im Tagebau Garzweiler antritt, macht der RWE-Mitarbeiter eine ungewöhnliche Entdeckung und stößt in einer Böschung unterhalb von Flöz Frimmersdorf auf einen Baumstamm, der drei bis vier Meter aus dem weißen Sand ragt. Wenig später stellt sich heraus, dass der gut erhaltene Stamm sogar 9,5 Meter lang ist. Es handelt sich um ein Relikt aus dem Tertiär, das die Eiszeit überdauert hat.
Zellproben ergeben, dass das Holz mehr als zwölf Millionen Jahre alt ist. Zudem finden die Forscher der Universität in Utrecht heraus, dass es sich bei dem Fund um eine Zypresse (Taxodioxylon germanicum) handelt. Donnerstag wurde der fossile Baumstamm geborgen. Er soll sowohl der Forschung als auch Museumsbesuchern zur Verfügung gestellt werden.
Der Nadelbaum hat einen Durchmesser von 80 Zentimetern und war wahrscheinlich mehr als 500 Jahre alt, als er umstürzte und kurz darauf von wuchtigen Meeres-Sandschichten bedeckt wurde. „Ich arbeite jetzt seit fast 30 Jahren im Tagebau, einen Fund dieser Größenordnung habe ich noch nie gesehen“, sagte gestern Tagebauleiter Lutz Kunde. „Das ist eine einmalige Sache.“ Wenige Meter hinter ihm arbeiten sich die weit ausladenden Arme von Riesenbagger 285 durch den rheinischen Boden und reißen die Braunkohle aus der Erdwand.
Der Urzeit-Nadelbaum wurde in einer Tiefe von 150 Metern in der Böschung vorsichtig frei gesetzt und noch am Fundort von Spezialisten aus Belgien in drei Teile zerschnitten. Eines der Stücke wurde in 15 Zentimeter dicke Scheiben gesägt, die nach der Präparation an Museen und geologische Institute aus dem Umkreis gehen. Die beiden anderen Abschnitte bleiben als Stamm erhalten und werden dem Geologischen Dienst NRW in Krefeld und dem RWE Power Informationszentrum auf Schloss Paffendorf übergeben. Forscher der Universität in Heidelberg hätten sich fast um den Fund gerissen, sagt Kunde.
Der Uralt-Baum hat keine Rinde und ist hoch empfindlich: Licht und Luft lassen ihn leicht zerbröseln. Damit das Treibholz nicht austrocknet und seine Zellulose verliert, soll der Stamm nun konserviert werden. In einem mit Sand gefüllten Container soll das Holz langsam entwässern und verhärten. Bis der Baum komplett trocken ist, dauert es vier bis fünf Jahre.
Bedeutende Fossilien wurden im Tagebau schon viele entdeckt, doch dieser Fund sei „ein Glückstreffer“, sagte Andreas Wolski. Der 48-Jährige kontrolliert im Tagebau die Kohlequalität.
„Das Stück stammt mitten aus dem Baum. Die Zypresse war vielleicht 30 bis 40 Meter hoch. Wo genau der Baum gewachsen ist, kann man nicht sagen“, erklärte Ulrich Lieven, RWE-Vermessungsingenieur und Fossilien-Experte aus dem Tagebau Garzweiler. „Eine Sturmflut hat das Holz damals womöglich auf den Sand getrieben. Anhand der Jahresringe lässt sich das Alter gut ablesen“, erläuterte der Hobby-Paläontologe, der privat fast 5000 Fossilien gesammelt hat. „Die Holzart ist typisch und zeigt keine Quetschungsstruktur.“
Äste oder Nagespuren von Tieren konnten am Baumstamm nicht festgestellt werden. Auch Insekten oder Bohrmuscheln wurden nicht mit ausgegraben.