Abschied von Marta Márquez Abschied von Marta Márquez

Düsseldorf · Die Mezzosopranistin Marta Márquez hat in 37 Jahren an der Rheinoper 86 Partien gesungen. Jetzt ist sie in den Ruhestand gegangen.

Marta Márquez auf der Bühne in Claude Debussys Oper „Pelléas et Mélisande“.

Foto: Eduard Straub

Einer der ergreifendsten Klage­gesänge der Operngeschichte ist der Monolog der Penelope, in dem der verzweifelte Satz „Torna, deh torna, Ulisse“ (Komm zurück, ach, kehr heim, Odysseus) wie ein Refrain immer wiederkehrt. Claudio Monteverdis Geniestreich zu Beginn von „Il ritorno d’Ulisse in Patria“ kommt mit sparsamsten Mitteln aus, und Marta Márquez begriff die schlichte Kargheit dieser Komposition als Aufruf zu maximaler Intensität und Durchdringung.

Wer die Künstlerin damals in Christof Loys legendärem Monteverdi-Zyklus erlebt hat, ganz verinnerlicht, nie larmoyant, vergisst das nicht. Die stimmlich alles andere als kulinarisch angelegte Partie der Penelope war einer der Höhepunkte in Marta Márquez einzigartiger Karriere, die in sagenhaften 37 Jahren an der Rheinoper mindestens 86 Partien (soweit es die Statistik des Hauses hergibt) gesungen und verkörpert hat.

Schauspiel war ihr
ebenso wichtig wie der Gesang

Das mit der Verkörperung muss man in ihrem Fall bewusst betonen, denn der bereits 1992 zur Kammersängerin ernannten Künstlerin, die als Koloratursopran begann und später ins Mezzo-Fach wechselte, war das Spiel auf der Bühne, war die Glaubwürdigkeit der Figur mindestens ebenso wichtig wie der Gesang. Nicht zufällig trifft man sie häufig mit ihrem Mann, dem bereits vor zwei Jahren in den Ruhestand verabschiedeten, ehemaligen Operndirektor Stephen Harrison, auch in Vorstellungen des Sprechtheaters.

 Diese Leidenschaft für das Spiel und die Abneigung gegen alles Künstliche, Posierende verband sie mit dem Regisseur Christof Loy. Sie liebte die fordernde Zusammenarbeit mit ihm, der sie seinerseits immer wieder prominent besetzte: In seinem Monteverdi-Zyklus war sie neben der Penelope die Messagera in „L’Orfeo“, die Poppea in der gleichnamigen Oper, sie war seine quirlige Isabella in Rossinis „L’italiana in Algeri“, Hélène in Offenbachs „La belle Hélène“ und sie war Dido in Berlioz’ gewaltigem Opus „Les Troyens”. „In den Proben mit Christof verliere ich immer ein paar Pfunde, er setzt einen ganz schön in Bewegung” erzählte sie einst glücklich von der Probenarbeit.

Anspruchsvolle Regisseure waren ihr stets eine willkommene Herausforderung, auch in Christof Nels vertrackt-psychoanalytischer Deutung von Debussys „Pelléas et Mélisande” war sie eine ausdrucksvolle und trotzdem unergründliche Mélisande.

Als sie 1984 an der Rheinoper begann, sang sie Beethovens Marzelline, Webers Koloratur-Ännchen, Verdis Oscar und Mozarts Susanna in „Le nozze di Figaro”. Diese Oper dürfte sie wie kaum eine zweite kennen, denn später sang sie darin den Cherubino, zuletzt die Marcellina. Auch in Bizets „Carmen” kann sie drei Partien nachweisen, die Frasquita, die Micaëla und schließlich die Titelrolle.

Márquez war immer enorm spielfreudig, aber nie das, was man etwas hemdsärmelig eine „Rampensau“ nennt, sie sang Hauptrollen mit ebenso viel Verve und Einsatz wie Nebenrollen, für die sie sich nie zu schade war. Auch eine Diva war sie nie, doch wenn die Rolle es verlangte, konnte sie groß aufdrehen und mit der Federboa wedeln. Sie konnte aber auch ganz verschwinden unter Kostüm und Maske und ohne jede Psychologie zur mechanischen Figur werden wie als zweite Dame in Barrie Koskys gefeierter Comic-Version der „Zauberflöte“.

Es liegt wohl auch an ihrem lyrischen Mezzo-Fach, an ihrer stets weich gebliebenen Stimme, der das dramatische Auftrumpfen nicht lag, dass sie nie zum glamourösen Star wurde, dem zum Abschied eine rauschende Gala beschert wird. Marta Márquez war immer zuerst Ensemblemitglied.