Großrazzia und Verhaftungen Schlag gegen den Miri-Clan in Bochum

Düsseldorf · Vier Brüder sitzen in U-Haft. Verdacht des „schwunghaften Handels“ mit Drogen.

Erneut ist der Polizei im Ruhrgebiet ein Schlag gegen die Clankriminalität gelungen.

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Der Bochumer Polizei ist ein Schlag gegen die Clankriminalität gelungen: Am Dienstagmorgen wurden zehn Wohnungen und Lokale in Bochum, Herne, Essen und Auerbach in Sachsen durchsucht. Kurz darauf klickten bei hochrangigen Mitgliedern des bundesweit bekannten Miri-Clans die Handschellen: Mehrere Spezialeinsatzkommandos nahmen drei Brüder (22, 28 und 30 Jahre) in Bochum fest, einen weiteren Bruder (32), der sich selbst „Patron“ – also Familienoberhaupt – nennt, in Sachsen.

Die Männer stehen im dringenden Verdacht des gewerbs- und bandenmäßigen Handels mit sowie des Einfuhrschmuggels von Kokain und Marihuana. Die Polizei Bochum glaubt, den Bochumer Arm des Miri-Clans, der vor allem in Bremen beheimatet ist, damit zerschlagen zu haben. „Für uns ist das ein Einsatzerfolg“, sagt Sprecher Volker Schütte. „Monatelang sind da Ermittlungen gelaufen.“ Immer wieder waren ein Bochumer Kiosk sowie eine Shisha-Bar als Anbahnungsort für Drogengeschäfte aufgefallen. Von einem „schwunghaften Handel“ spricht die Polizei. Zudem sei der Nachweis einer Einfuhr von fünf Kilo Marihuana gelungen, welche für Kunden im Absatzgebiet des ältesten Bruders in Sachsen bestimmt gewesen seien. Die Brüder waren auch an einem Aufsehen erregenden Einsatz in der vergangenen Silvesternacht beteiligt, als ein Türsteher die jungen Männer an einer Disko der Ruhrgebietsstadt abwies – sie fuhren daraufhin mit zwei Autos und in die Luft gehaltener Schusswaffe auf den Sicherheitsmann zu und verletzten ihn.

LKA-Experte: Zweistellige Zahl von Clans in Nordrhein-Westfalen

Der arabisch-libanesische Miri-Clan sitzt hauptsächlich in Bremen, hat Zweige aber auch in Essen und Berlin. Es ist eine so illustre Gemeinschaft, dass sie einen eigenen Eintrag in der Online-Enzyklopädie „Wikipedia“ hat – demnach zählen allein in Bremen 30 Familien und 2600 Menschen zu dem Clan. Laut Thomas Jungbluth, dem Experten für Organisierte Kriminalität im Landeskriminalamt NRW, können diese Zahlen durchaus stimmen. Man gehe von einer mittleren zweistelligen Anzahl von Clans in Nordrhein-Westfalen aus, allein im Raum Essen soll es eine niedrige fünfstellige Anzahl von Clan-Mitgliedern geben. „Es ist eine sehr komplexe Situation“, erklärt Jungbluth gegenüber dieser Zeitung.

Zwischen diesen vielzähligen Zugehörigen eines Clans gebe es tatsächlich „verwandtschaftliche Beziehungen, die durch Heiraten aufgefrischt werden“, so der LKA-Experte. Ralph Ghadban, Migrationsforscher und führender Clan-Experte in Deutschland, schreibt in einer Abhandlung zum Thema von Endogamie: „52 Prozent der Ehen finden innerhalb der Sippe statt, überwiegend mit der Cousine von väterlicher Seite.“ Auch Verflechtungen im ganzen Bundesgebiet – „Haupt-Siedlungspunkte“ seien aber NRW, Niedersachsen, Bremen und Berlin – und darüber hinaus wie im Fall des Miri-Clans sind laut Jungbluth nicht selten: „Es gibt Clans aus Bremen, die auch in NRW aktiv sind. Wir haben Verbindungen von Clans aus dem Ruhrgebiet nach Schweden gefunden.“

Ob die Situation in NRW durch die Festnahmen der Miri-Brüder in Bochum entzerrt wird oder die Sippe die Lücke wieder schließt, ist auch für Jungbluth schwierig absehbar: „Sie haben gelernt, dass ihr Überleben als Clan davon abhängt, dass sie bedingungslose Loyalität wahren“, erklärt er. Staatliches Eingreifen werde daher per se als Attacke auf die Familienehre gesehen. Dass mit einem plötzlichen Frieden nicht zu rechnen ist, weiß man auch bei der Polizei Bochum, wie Volker Schütte erklärt: „Nach dem Einsatz ist für uns vor dem Einsatz.“