Nach Münster So erlebte Chiara (21) die Amokfahrt in Münster
Düsseldorf · Chiara Hoenhorst (21) wurde im April lebensgefährlich verletzt. Jetzt will sie zurück in die Bundesliga.
Der Tag, der Chiara Hoenhorsts Leben für immer veränderte, liegt bereits fast ein halbes Jahr zurück. Was damals genau passiert ist, weiß die 21-Jähirge allerdings erst seit wenigen Tagen. Seit sie den Mann traf, der ihr das Leben gerettet hat. Denn an jenem Tag vor fast einem halben Jahr war sie im Herzen der Münsteraner Altstadt unterwegs, als ein 48 Jahre alter Mann mit einem Kleintransporter auf die Terrasse der Gaststätte „Kiepenkerl“ raste.
Chiara Hoenhorst ist einer von mehr als 20 Menschen, die am 4. April 2018 zum Teil schwer verletzt wurden – fünf Menschen starben bei der Amokfahrt, der offenbar psychisch labile Täter erschoss sich selbst. Die Profisportlerin und BWL-Studentin hat mehrere Kopfoperationen hinter sich und kämpft noch darum, ihr Leben, wie es vor dem Schicksalstag war, wieder aufzunehmen. Dazu setzt sie sich mit dem auseinander, was sie erlebt hat – aber nicht mehr weiß. Und sie teilt es über die Internetseite ihres Volleyballvereins, dem USC Münster, mit der Welt.
Die letzten Erinnerungen der jungen Frau sind nicht ihre eigenen. Ihre Freundin, mit der sie zum Shoppen unterwegs war und die ebenfalls schwer verletzt wurde, hat ihr von dem Tag berichtet. „Von ihr weiß ich: Unsere letzte Station war ,Kauf dich Glücklich’ am Spiekerhof“, schreibt Chiara Hoenhorst. „Wir waren auf dem Rückweg Richtung Prinzipalmarkt. Vor der Terrasse des Restaurant ,Kiepenkerl’ fehlten zwei Poller, durch die der Fahrer durch ist. Wir sind genau in diesem Moment einfach über den Bürgersteig dort hergelaufen.“ Die jungen Frauen wurden von dem Wagen gerammt, bevor dieser auf die Gastro-Terrasse und die gemütlich beisammensitzenden Menschen bretterte.
Großes Glück hatte die 21-Jährige mit ihrem Ersthelfer am Tatort: Der Mann, den sie jetzt persönlich getroffen hat, ist Berufssoldat. Er erkannte, dass sie schwere Kopfverletzungen hatte, und instruierte die eintreffenden Sanitäter. „Mein Ersthelfer hat mir verraten, dass er damals nicht davon ausgegangen ist, dass ich überlebe“, schildert Hoenhorst. Wegen starker Schwellungen musste der jungen Sportlerin im Krankenhaus ein Stück der Schädeldecke entfernt werden. Es wurde später in einer weiteren OP wieder eingesetzt.
An die drei Wochen auf der Intensivstation erinnert sie sich ebenfalls nicht, erst an ihre Verlegung in eine Reha-Klinik in Hattingen. Inzwischen geht ihre Heilung mit großen Schritten voran. Sie trainiert bereits wieder mit ihren Volleyball-Kameradinnen – wenn auch vorsichtig und mit Kopfschutz. Zum Bundesliga-Auftakt im Oktober will die 1,88 Meter große Außenspielerin auf dem Platz stehen. Sofern die Ärzte und Versicherungen grünes Licht geben. „Der Sport war nach dem Aufwachen aus dem künstlichen Koma ohnehin meine größte Sorge“, bekennt die leidenschaftliche Spielerin.
Im Oktober mit dem Start des Wintersemesters nimmt Chiara Hoenhorst auch ihr BWL-Studium wieder auf. Dann hat sie es fast geschafft, ihr altes Leben zurückzuerobern. Dass sie sich an jenen 7. April nicht mehr erinnern kann, der es ihr um ein Haar genommen hätte, ist letztlich wohl auch wieder großes Glück für die fröhliche Studentin.