Beckers Gardinenpredigt
Zwischen Glaubensfragen und klerikaler Schlitterpartie: Kabarettist Jürgen Becker begeistert in der ausverkauften Gennebrecker Turnhalle.
Herzkamp. Kerzenschein am Parkplatz bei der Kirche. In so feierlichem Licht hätte es fast eine Christmette werden können. Aber was am Mittwoch auf Herzkamp hernieder kam, war die reinste Gardinenpredigt.
Mit stets runzliger Stirn blickte der Kabarettist Jürgen Becker in der Turnhalle der Grundschule Gennebreck auf Glaubensfragen und klerikale Schlitterpartien.
O ja, es hätten getrost mehr als die etwa 250 Sitzplätze zur Verfügung stehen dürfen, denn die Nachfrage nach Beckers rheinisch gespritztem Weihwasser war groß. Wie es sein kann, dass sich ein vom Gürzenich verwöhnter Bühnenstar in dörfliche Niederungen begibt, bleibt letztlich ein Rätsel.
Die Veranstalter — die Bürgergemeinschaft Herzkamp — nehmen an, dass ihr stoisches Auftreten den Kölner in die Knie gezwungen hat.
Bemerkenswert war, wie vorbildlich das Dorf die Logistik meisterte, hatte der Andrang für Herzkamper Verhältnisse doch die Qualität einer Großveranstaltung. Becker ließ es sich nicht nehmen, dem werten Publikum das Provinzdasein aufs Butterbrot zu schmieren.
Und dann noch eine Provinz, die so dicht am Westfälischen lebt, dass es einem das Kölsch versauern könnte. Um die Zuschauer auf Herz und Nieren zu prüfen, ließ Becker sie das Lied vom Aschermittwoch singen und ein Glas Bier vom Köbes servieren. Wer immer da nach einem Alt gefragt hätte, wäre schnurstracks aus der Verlosung genommen worden.
Beckers Motto für den Abend: „Ja, was denken Sie denn?“ Der Antworten hätte es viele gegeben, deshalb ließ Becker dem Publikum gar nicht erst den Raum, auf die Frage einzusteigen und lieferte auf breiter Front seine Sicht der Dinge.
Um es richtig anschaulich zu machen, hatte er nach Art der Moritatensänger ein paar hübsche Poster und Requisiten mitgebracht: ein Foto von Giordano Brunos Denkmal, Schillers Schädel mit Narrenkappe und ein hübsches Bild einer Folterszene.
Mit rheinischem Hintersinn hatte Becker das Programm zweigeteilt. Im ersten Teil ging es um die Evolution im Allgemeinen und ihre Irrtümer im Besonderen: warum Kängurus den Südpol doof finden würden und ob die Erderwärmung mit Homosexuellen zu tun haben könnte. Teil zwei widmete sich beinhart den Glaubensfragen.
Monotheismus, das war sehr schnell klar, ist der letzte Driss. Nur wer viele Götter anerkenne, könne tolerant bleiben. Natürlich steckt auch dahinter rheinische Logik, denn ohne germanische Wurzeln wäre auch Karneval der letzte Driss.