Besonderes Höhentraining
Tim Klinger hat das Rennrad gegen ein Flugzeug getauscht.
Sprockhövel. Elf Monate ist es inzwischen her, dass Tim Klinger seine Radrennschuhe an den Nagel gehängt hat. Und wer heute im Internet nach aktuellen Einträgen über das ehemals hoffnungsvolle Sprockhöveler Radsporttalent sucht, muss lange suchen. "Tja. Ich habe in der Zwischenzeit wohl nichts Berühmtes oder Aufregendes geschafft", sagt Klinger und man weiß im ersten Moment nicht genau, ob er das nun eher bedauert oder humorvoll nimmt. Auf der faulen Haut hat er nämlich keineswegs gelegen, sondern seinen Neustart ins Berufsleben vorangetrieben.
"Wenn ich nicht Radrennfahrer geworden wäre, hätte ich Pilot werden wollen", hatte der inzwischen 25-Jährige schon während seiner Karriere im Sattel erzählt, hatte sogar noch während seiner aktiven Zeit im Gerolsteiner Rennstall eine Privatpilotenlizenz gemacht. Nach seinem Karriereende wegen einer chronischen Sehnenentzündung stürzte er sich dann tatsächlich mit Elan in die weiterführende Ausbildung zum Verkehrspiloten. "Ich habe mich dort mit dem gleichen Ehrgeiz reingehängt wie in den Radsport", berichtet er.
Das sei auch das absolut richtige Rezept gewesen, um seinen geplatzten Traum so schnell wie möglich zu überwinden. "Es tat anfangs sehr weh, wenn ich die großen Rennen im Fernsehen anschaute", erzählt Klinger. Besonders natürlich die Tour de France-Übertragungen. Schließlich war die Frankreichrundfahrt Klingers erklärtes Lieblingsrennen, doch für eine Teilnahme hatte es nie gereicht.
Im vergangenen August legte Klinger seine erste große Theorieprüfung für den Verkehrspilotenschein ab und hat mittlerweile 220Flugstunden gesammelt. Am Montag steht die praktische Prüfung an. Wenn die hinhaut, kann er sich sofort bei den Fluggesellschaften um einen Job bewerben. Wobei die Aussichten auf einen Cockpitplatz momentan eher schlecht sind. "Aber immerhin besser als vor drei Monaten. Da suchte in Deutschland überhaupt keine Airline nach neuen Piloten", tröstetet er sich. Alle Gesellschaften haben noch einmal heftige Zugangshürden aufgebaut. Unter anderem ein Merkfähigkeitstest am Computer. "So eine Multitasking-Sache. Wenn man diesen Test verhaut, ist man für alle Zeiten raus bei der jeweiligen Gesellschaft", weiß Klinger.
Seine ehemaligen Profikollegen haben den Spezialisten für Helferdienste in bergigem Terrain jedenfalls nicht vergessen. Nach der letzten Etappe der Bayern-Rundfahrt im Sommer ließen sich Fabian Wegmann und Johannes Fröhlinger von Klinger gen Heimat fliegen. "Wir sind bei traumhaftem Wetter und guter Sicht mit einer kleinen Cessna über die Schwäbische Alb und den Schwarzwald geflogen bis nach Freiburg. Mein erster Flug über die Alpen war fantastisch", schwärmt Klinger. Ehrgeiz und Begeisterung haben ihn auch hier gepackt.
Den Spaß am Radsport hat er übrigens nicht verloren. Obwohl er fast seine komplette Ausrüstung verkauft hat. "Das vergangene Jahr war ziemlich stressig, aber in 2010 möchte ich wieder häufiger Rad fahren", hofft er.