Ein Schaf bereits verstorben Blauzungenkrankheit bei weiteren Tieren in Sprockhövel
Sprockhövel · In der Herde von Burkhardt Pfläging und Iris Behrens waren 30 Tiere infiziert.
Die gute Nachricht kommt zuerst: Es hat den Anschein, dass die Blauzungenkrankheit, die Wiederkäuer befällt, zu schlimmen Krankheitsbildern führt und meistens tödlich endet, aktuell abflaut. Aber: Der nächste Sommer kommt bestimmt und mit ihm die Stechmücken, die Gnitzen, die die Krankheit übertragen.
Die Entwicklung von Impfstoffen läuft auf Hochtouren, aber wenn die Leiterin des Kreisveterinäramtes, Bettina Buck, berichtet, wird klar: „Das Virus entwickelt immer wieder neue Varianten. Zu der aktuellen Infektionswelle im Sommer wurde ein Impfstoff entwickelt, der sich leider nicht als zuverlässig erwiesen hat. Es hat immer wieder Durchbrüche des Virus gegeben. Deshalb wurde der Impfstoff rasch wieder vom Markt genommen.“ Mit Hochdruck wurde an Impfstoffen gearbeitet, die zuverlässig vor den Folgen der Infektion schützen. Mit diesen wurden dann die Herden in der Region geimpft. Das Problem: Es können auch Rinder das Virus in sich tragen, aber sie zeigen die Symptome nur in abgeschwächter Form. Auch Ziegen können infiziert sein, aber auch bei ihnen ist der Krankheitsverlauf oft kaum wahrnehmbar. Schafe sind am anfälligsten, haben heftigste Krankheitsverläufe, leiden schlimm und sterben oft“, beschreibt die Veterinärin die Heimtücke des Virus. Inzwischen seien in allen Bundesländern Befunde manifest, so dass es Verbringungsbeschränkungen nicht mehr gibt. Das ist vor allen Dingen für Wanderschäfer eine gleichermaßen gute wie schlechte Nachricht: Sie dürfen mit ihren Herden weiterziehen. Das ist grundsätzlich gut. Aufwendige Gesundheitsprüfungen mit Bluttests entfallen. Weiterziehen dürfen sie aber nur deshalb, weil es überall mittlerweile die Infektion gibt. Das ist natürlich schlecht.
Bettina Buck ist auch in Kontakt mit dem Jagdverband: „Die Gnitzen können locker Entfernungen von 150 Kilometern zurücklegen“, ist eine Erklärung für die rasche Verbreitung der Erkrankung, die sich in den Sommermonaten rasant ausbreitet. Eine Infektion von Schaf zu Schaf sei eigentlich nicht möglich, weil das Virus im Blut ist, erläutert die Leiterin des Veterinäramtes im Ennepe-Ruhr-Kreis. Lediglich der Stich kann eine Infektion nach sich ziehen. Viele Schäfer sprühten ihre Tiere mit einem „Repellent“, einem Fliegenschutzspray, ein, weiß sie, aber das sei auch nicht der perfekte Schutz.
Die Sprockhöveler Burkhardt Pfläging und Iris Behrens haben mit der Schafszucht ein besonderes Hobby, eine Leidenschaft. Burkhard Pfläging ist Geschäftsführer des Sinfonieorchesters Wuppertal, seine Frau ist ausgebildete Krankenschwester, die eine aufwendige Weiterbildung im Bereich der tiergestützten Therapie und Intervention absolviert hat. Mit ihrem Mann Burkhardt Pfläging betreibt sie die Schafzucht als Hobby mit Leidenschaft, ihre Tiere gehören zur Familie. Die ist allerdings groß: über 70 Tiere, darunter auch einige rehbraune hornlose Kamerunschafe, bilden die Großfamilie.
Zwei der weißen Moorschnucken, Ada und Lili, sind vierbeinige Schauspieler, die in Pina Bauschs Stück „Viktor“ mit spielen. Bereits 2017 hatten die beiden weißen Moorschnucken-Damen in diesem Stück einen Auftritt, denn Pina Bausch hat des Kontrastes wegen weiße Schafe in ihrem Stück vorgesehen.
In der Herde haben sich dramatische Szenen abgespielt
Im Juni war die Welt von Burkhardt Pfläging und Iris Behrens noch in Ordnung. „Bislang sind unsere Tiere noch nicht erkrankt“, sagten die beiden im Juni. Sie waren aber sichtlich beunruhigt. „Wir hoffen, dass es nun bald einen wirksamen Impfstoff gibt“, richtete Iris Behrens ihre ganze Hoffnung auf die Erforschung und Entwicklung wirksamer Impfstoffe.
Inzwischen haben sich auch in der Herde von Burkhardt Pfläging und Iris Behrens dramatische Szenen abgespielt, den Wettlauf gegen den eigentlich sicheren, qualvollen Tod hat glücklicherweise nur ein Tier verloren. „Bei uns waren 30 Tiere infiziert, ein Schaf, unsere Mentha, hat es leider nicht geschafft. Wir haben sehr früh, zwei Tage nach den ersten Symptomen, die komplette Herde durchgeimpft.“ Jedes infizierte Schaf wurde sofort in den Stall gebracht, dort verarztet. Sie haben vier verschiedene Medikamente unter die Haut gespritzt bekommen. Da war die eine oder andere Nachtschicht dabei. Sogar Reanimationen waren erforderlich.
„Etliche Tiere haben wir erfolgreich zwangsernährt, buchstäblich von der Hand in den Mund, mit einem eingeweichten Brei aus Heucobs, Rübenschnitzeln und – man höre und staune: Malzbier. Das muss für die Tiere extrem schmerzhaft gewesen sein, mit dem entzündeten Maul und den blasigen Lippen. Aber sie waren nicht nachtragend. Haldor, ein besonders scheuer Bock, der eigentlich schon tot war, scheint sich zu erinnern: Mir gegenüber ist er seitdem zutraulich, sobald er meine Hand geschnuppert hat. Er scheint sich daran zu erinnern, dass ich ihm das Leben gerettet habe. Er hat sich so weit erholt, dass wir ihn jetzt als besten von unseren Böcken kören lassen. Das alles war zwar sehr anstrengend, aber es hat eindeutig etlichen das Leben gerettet. Bei manchen war es sehr knapp. Wenn ich mich bei meinen Schäferkollegen umschaue, haben wir eine sehr hohe Überlebensquote mit nur einem toten Schaf. Trotzdem kommen mir immer noch die Tränen, wenn ich an die arme Mentha und ihren verlorenen Kampf denke. In den nächsten Tagen kommt der Bock zu den ausgewählten Mutterschafen, dann wird man sehen, ob alle wieder wirklich gesund sind oder Schäden davongetragen haben.“
Lili und Ada, die „Opernschafe“, aber auch Ida und Alma haben die Krankheit auch überstanden, so dass sie jetzt Ende Oktober wieder bei Viktor im Opernhaus auftreten.