Gewalt zu Hause: Sorge um die Dunkelziffer in Sprockhövel
Experten befürchten, dass viele Taten — gerade in Wohnsiedlungen und in den Randlagen — unentdeckt bleiben.
Sprockhövel. Häusliche Gewalt? Ist das in Sprockhövel überhaupt ein Thema? Die offiziellen Zahlen der Polizei sprechen auf den ersten Blick dagegen: Acht Fälle hat der Opferschutzbeauftragte der Kreispolizeibehörde im Jahr 2013 bearbeitet, 2012 waren es neun Fälle.
Vermutlich sieht die Welt aber ganz anders aus. „Je bürgerlicher und gesitteter ein Wohnbereich ist, desto weniger schnell wird ein Nachbar angezeigt oder die Polizei gerufen, wenn man etwas bemerkt“, erklärt Petra Bedow, Gleichstellungsbeauftragte des Ennepe-Ruhr-Kreises.
Als Geschäftsführerin des Runden Tischs zum Thema häusliche Gewalt kennt sie viele konkrete Fälle. „Gewalt hat viele Gesichter“, hat sie im Laufe der Zeit erkannt. Es sei nicht nur das blau geschlagene Auge, sondern beispielsweise auch die einengende Kontrolle von Familienmitgliedern, das Zurückhalten von Haushalts- oder Taschengeld oder die Kontrolle der Freizeitgestaltung.
„Das kommt in allen Schichten vor. Es kann der Rechtsanwalt ebenso sein wie der Polizist, der Arzt oder der Arbeiter, der seine Familie unterdrückt“, sagt Petra Bedow. „Anders als in Mehrfamilienhäusern bekommt man in einer Einfamilienhaussiedlung viel weniger von den Nachbarn mit“, begründet sie ihre Befürchtung, es könnte eine hohe Dunkelziffer geben.
„Es gibt ein Dunkelfeld von Taten, die nicht angezeigt werden“, sagt auch Polizeisprecher Dietmar Trust. In den beiden vergangenen Jahren seien im gesamten Ennepe-Ruhr-Kreis 199 (2013) und 202 (2012) Fälle bekannt geworden. Langfristig gebe es dabei einen Anstieg. „Es wenden sich mehr Leute an die Polizei“, sagt Trust.
Wie ernst die Fälle dann sind, kann man an den Maßnahmen der Polizei erkennen. „In 70 bis 80 Prozent der Fälle kommt es zu einer sogenannten Wegweisung“, sagt Trust. Das bedeutet, der Angreifer — meist sind es die Männer — muss den Schlüssel abgeben und darf die Familienwohnung zehn Tage lang nicht aufsuchen.
In vielen Fällen sind von häuslicher Gewalt auch Kinder oder Jugendliche betroffen — als Angegriffene oder als Beobachter. Wie die Erfahrung der Sachbearbeiter zeigt, bleibt auch nur mittelbare Betroffenheit selten ohne Folgen. So stellen Schulsozialarbeiter oft Verhaltensauffälligkeiten fest, deren Ursachen nicht sofort erkennbar sind. „Welche Hilfe kann ich bekommen“ oder „Was kann ich tun, wenn ich so etwas bei Freunden beobachte?“, sind dann Fragen, die sich die Kinder stellen.
Erste Antworten darauf gibt eine Wanderausstellung, die noch bis zum 28. Februar in der Wilhelm-Kraft-Gesamtschule zu sehen ist. Die Informationssäulen richten sich an Kinder der Klassen fünf bis acht.