Religion Homosexueller Katholik: „Die Zeit ist reif für die katholische Kirche“

Sprockhövel · Benno Jacobi ist der neue Laienvertreter in Niedersprockhövel und sieht sich dabei mit seiner Vita auch als Teil des Wandels.

Benno Jacobi wurde im Januar zum neuen Vorsitzenden des Pfarrgemeinderats gewählt.

Foto: Juri Lietz

Dass von der Basis der katholischen Kirche zuweilen weitaus reflektiertere Botschaften in die Welt gesandt werden als von deren Oberhäuptern, ist in den vergangenen Jahren hinlänglich diskutiert worden. Einer, der diese Entwicklung mit Herz und Seele verkörpert, ist Benno Jacobi aus Witten-Herbede. Im Januar wurde er zum neuen Vorsitzenden des Pfarrgemeinderats (PGR) gewählt, der die Laien aus den sechs Kirchorten vertritt, die vor rund 15 Jahren fusioniert hatten. Dazu gehört unter anderem die Gemeinde in Niedersprockhövel. 

Der PGR dient als Bindeglied zwischen Gemeinde und Kirche. Das Gremium leistet Seelsorge, unterstützt den Pfarrer und gibt Impulse für die Gemeinschaft. Und ganz nebenbei äußert sein Vorsitzender, der sich als „klassischer Katholik“ bezeichnet, pointierte Vorschläge in Richtung Vatikan. „Diese große Kirche auf allen Kontinenten ist kein monolithischer Block, sondern hat eine Riesen-Vielfalt“, ist Jacobi überzeugt. Diese Diversität möchte er betonen, sie stärken und klarstellen, dass sie eine Neuaufstellung kirchlicher Moralvorstellungen erfordert. Denn gerade, weil er Christ ist, will er die bestehenden Strukturen verändern. „Es geht darum, die Breite zur erhalten, die es hier immer schon gab.“ 

Schon lange engagiert sich Jacobi in der Kirche, weshalb dies nicht zuletzt seine ganz persönliche Geschichte ist. Geprägt von der 68er-Generation regte sich in ihm früh der „kritische Geist“. In den 80er-Jahren wurde er aus einem anderen Pfarrgemeinderat ausgeschlossen, weil seine Meinung den Oberen nicht passte. Später wurde ihm und seinem inzwischen verstorbenen Mann als homosexuelles Paar die Segnung unter dem katholischen Kirchendach verweigert. In St. Peter und Paul in Herbede hat er seit 1997 eine Heimat gefunden; „der Pfarrer hatte keine Sorge, dass Hölle und Verdammnis über die Gemeinde hereinbrechen, wenn ich da bin“, schmunzelt Jacobi.

Skandale als Anstoß für Veränderungen in der Kirche

Genauso ironisch kann sein Blick auf die Institution selbst sein. „Die katholische Kirche ist noch nie die Speerspitze einer progressiven Bewegung gewesen“, sagt er und will den Wandel daher bei aller Notwendigkeit dennoch behutsam vorantreiben. Zwei Jahrtausende der eigenen Geschichte müssten verarbeitet werden. „Aber ich möchte nicht, dass die Kirche wieder 400 Jahre braucht, um anzuerkennen, dass die Erde keine Scheibe ist.“ Die Diskriminierung Homosexueller, der Zölibat, der Missbrauch, die Weihe von Frauen, das Vertuschen, weltfremde Entscheidungen, oder der Umgang mit Steuern, mit Geschiedenen – das alles sind Punkte, die Jacobi verändert sehen möchte, ohne allerdings bestehenden Wandel abzuerkennen. Wenn der neue Vorsitzende spricht, wird klar, dass auch die Kirchenoberhäupter nicht in einen Topf geworfen werden sollten. Er weiß, dass in Rottenburg-Stuttgart Frauen predigen dürfen oder in Südamerika auch verheiratete Priester sind. Stört es denn nicht, sich an Rom zu orientieren, statt Veränderungen einfach durchzusetzen? „Wenn man sein eigenes Süppchen kocht, ist man irgendwann nicht mehr katholisch“, denkt Jacobi. Also lieber Wandel innerhalb des Systems. Dass dieser auch gesamtgesellschaftlich nottut, erkennt er an, aber: „Wenn ich auf andere zeige, sind immer drei Finger auf mich selbst gerichtet.“

Er renne mit seinen Themen in der Gemeinde offene Türen ein, prangerte kürzlich erst in einer Graffiti-Aktion die Missbrauchsfälle der Kirche auf deren eigenen Mauern an.

Es geht für Benno Jacobi darum, die Gemeinden am Leben zu erhalten. Die Aufklärung ist schon anschlussfähig. Fakt bleibt für ihn: „Es kann nicht so weitergehen. Die Zeit ist reif.“