Langjähriger Rechtsstreit Streit um CO-Pipeline: Oberverwaltungsgericht muss Entscheidung treffen
Nach dem Planänderungsbeschluss der Bezirksregierung Düsseldorf müssen die Richter des OVG eine Entscheidung im Berufungsverfahren treffen.
Düsseldorf. Es gehört zu den Eigengesetzen langwieriger und vor allem komplizierter Prozesse, dass sich öffentliches Interesse an ihnen nur noch sporadisch entzündet, ehe das ganze Verfahren wieder aus dem täglichen Nachrichtenstrom entschwindet. Für die Kohlenmonoxid (CO)-Pipeline zwischen den Chemiestandorten Dormagen und Krefeld-Uerdingen ist dieser Mittwoch so ein Tag.
Vom 5. bis zum 18. September ist in allen Kommunen, deren Gebiet von der Pipeline betroffen ist, der am 10. August dieses Jahres getroffene Planänderungsbeschluss der Bezirksregierung Düsseldorf öffentlich ausgelegt. Er bezieht sich auf den Planfeststellungsbeschluss derselben Behörde vom Februar 2007. Zwei Jahre später war die 67 Kilometer lange Pipeline praktisch fertig, in Betrieb ist sie bis heute nicht — und daran wird auch der neue Änderungsbeschluss aus Düsseldorf vorerst nichts ändern.
Denn die 236 Seiten umfassende Entscheidung mitsamt ihren zwölf begleitenden Aktenordnern „,wächst’ dem Planfeststellungsbeschluss vom 14.02.2007 an und wird somit unmittelbar in das beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster anhängige Verfahren eingeführt“, wie die Bezirksregierung sprachblumig mitteilt. In Münster ist noch immer die Klage enteigneter Grundstückseigentümer gegen die Genehmigung der Pipeline anhängig — der gesamte Gerichtsstreit durch die Instanzen währt nun schon seit elf Jahren.
Anfang 2017 war das OVG mit seinem Versuch gescheitert, die Verantwortung an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe abzuschieben. Das BVG hatte eine Richtervorlage aus Münster für unzulässig erklärt und sich daher gar nicht weiter mit der Frage befasst, ob das NRW-Rohrleitungsgesetz und in der Folge die darauf fußenden Enteignungen für die Pipeline eventuell verfassungswidrig sind oder nicht. Jetzt muss Münster in dem zwischenzeitlich ausgesetzten Berufungsverfahren doch selbst zu einer Entscheidung kommen.
Aber bis dahin wird noch einige Zeit vergehen, ist der Düsseldorfer Rechtsanwalt Jochen Heide sicher, der zwei Monheimer Eigentümer vertritt: „Erst einmal müssen jetzt alle Beteiligten die Möglichkeit bekommen, den Änderungsbeschluss zu studieren.“ Dann werden die Schriftsätze verfasst, die vom Gericht wiederum geprüft werden müssen — ein langer Weg bis zum Urteil. „Und wir befinden uns erst in der zweiten von drei Instanzen“, sagt Anwalt Heide: „Etwaige offene Rechtsfragen müssten anschließend vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig geklärt werden.“
Die Initiative „Stopp-CO-Pipeline“ will zusätzlich auch juristisch gegen den ab heute ausliegenden Planänderungsbeschluss an sich vorgehen, dem mehr als 20 000 Einwendungen betroffener Bürger und gut 60 Stellungnahmen weiterer Behörden vorausgegangen sind. „Der Vorstand des BUND NRW prüft derzeit die Klagemöglichkeiten“, sagt Initiativen-Sprecher Dieter Donner. Einen Ansatzpunkt sieht Donner darin, dass die Bezirksregierung die Möglichkeiten zur Warnung der Bevölkerung im Falle einer Beschädigung der Leitung nicht untersucht habe.
Und er benennt noch einen zweiten Weg der juristischen Gegenwehr. Die damaligen Vereinbarungen zwischen dem Pipeline-Betreiber Bayer Material Science (heute Covestro) und den Eigentümern bezögen sich auf den Bau der Leitung und etwaige Reparaturen, nicht aber auf eine Neuverlegung von Schutzmatten. In der Planänderung wurden aber nicht nur Abweichungen von der ursprünglich genehmigten Trasse abgesegnet; beim Bau waren oberhalb der Leitung auch zu schmale sogenannte Geogrid-Matten verlegt worden, die bei etwaigen Lecks für Schutz sorgen sollen.
Jetzt muss Covestro breitere Matten im Erdreich unterbringen. „Wir werden die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts abwarten, bevor die Arbeiten dafür begonnen werden“, erklärt Unternehmenssprecher Jochen Klüner. Die Matten sollen dann je nach Gegebenheiten vor Ort mithilfe eines Pflugs oder auch durch erneutes Öffnen des Grabens verlegt werden. „Die Frage ist, welche Eigentümer bereit sind zu klagen, weil sie Covestro dafür nicht auf ihr Grundstück lassen wollen“, sagt Donner.
Das Chemieunternehmen bewertet den Planänderungsbeschluss aus Düsseldorf derweil als „weiteren wichtigen Schritt für das Projekt CO-Pipeline“. Das Bundesverfassungsgericht habe deutlich gemacht, dass es das NRW-Rohrleitungsgesetz für geeignet halte. „Wir müssen nun die Entscheidung des OVG abwarten, sind jedoch vor diesem Hintergrund weiterhin optimistisch“, so der Covestro-Sprecher.
Über ein Zeitfenster bis zur Inbetriebnahme mag sich das Unternehmen aber nach wie vor nicht äußern. Das liege weiterhin nicht in der eigenen Hand. „Die lange Dauer bis zum Abschluss des Verfahrens ist zwar nicht in unserem Sinne, aber wir respektieren selbstverständlich die Entscheidungen der Gerichte.“