NRW-Politik Wahlversprechen gebrochen? Streit um die hohe NRW-Grunderwerbsteuer

Wuppertal/Düsseldorf · Der Bund der NRW-Steuerzahler, SPD und Grüne fordern eine einst von der Landesregierung angekündigte Absenkung. Doch die verweist stets auf eine erlahmte Bundesratsinitiative.

Wer Eigentum kauft, muss hohe Zusatzkosten in Kauf nehmen: Ein Grunderwerbsteuerbescheid liegt auf einem Immobilienkaufvertrag.

Foto: dpa/Franziska Kraufmann

Die Opposition in Nordrhein-Westfalen hält ein zentrales Wahlversprechen für gebrochen, der Bund der NRW-Steuerzahler zürnt nachhaltig: Obwohl die Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer Jahr für Jahr in Nordrhein-Westfalen in hohem Ausmaß steigen, wird aus einer Absenkung zugunsten der Bürger in dieser Legislaturperiode absehbar wohl nichts mehr: Der mit 6,5 Prozent im bundesweiten Vergleich höchste Satz, den SPD und Grüne 2015 unter dem Protest von CDU und FDP hochgestuft hatten, bleibt unberührt, das NRW-Finanzministerium und die Regierungsfraktionen verweisen stattdessen auf eine seit drei Jahren aktive Bundesratsinitiative, die im Sande zu verlaufen scheint. Die Konsequenz: Vor allem für junge Familien, die laut CDU-FDP-Koalitionsvertrag von 2017 entlastet werden sollten, wird es angesichts der horrenden Preise auf dem Markt immer schwieriger, Wohneigentum zu schaffen. Und die Landeskassen werden immer praller.

„Die Wohnnebenkosten sind in Nordrhein-Westfalen ohnehin hoch, bei der Grundsteuer B finden sich die bundesweit höchsten Steuersätze in NRW“, heißt es vom Bund der Steuerzahler in NRW. „Der hohe Steuersatz bei der Grunderwerbsteuer macht es gerade für junge Familien schwer, Wohneigentum zu schaffen. Das konterkariert die Ziele, die die Landesregierung im Koalitionsvertrag festgeschrieben hat.“ Ein Beispiel: Für Haus- samt Grundstückspreis von 500 000 Euro müssen die Käufer 32 500 Euro Grunderwerbsteuer an das Finanzamt abführen.

Die Einnahmen für Land und Kommunen steigen angesichts des anhaltenden Booms auf dem Immobilienmarkt ob niedriger Zinsen immer weiter: Lagen das gesamte Aufkommen noch 2015 bei 2,53 Milliarden Euro, waren es nach einer jeweils deutlichen jährlichen Steigerung 2019 schon 3,67 Milliarden Euro. Nimmt man die bundesweiten Zahlen für 2020, die bereits vorliegen, ist eine weitere Steigerung auch in NRW klar erkennbar. Aber eine Entlastung der Bürger gibt es im Gegenzug nicht. Stattdessen geht ein Großteil der Mehreinnahmen in die Landeskasse, zudem nach einem komplizierten Berechnungsschlüssel 23 Prozent von 4/7 des Aufkommens an die Kommunen – wie im Gemeindefinanzierungsgesetz festgeschrieben.

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Monika Düker fordert die Landesregierung auf, „den Bürgerinnen und Bürgern diese Mehreinnahmen durch eine Steuersenkung wieder zurückzugeben“. Düker hält die auch von den Grünen initiierte Erhöhung von 2015 noch heute für eine damalig notwendige Hilfe für klamme Kommunen. 2015 seien so „Mehreinnahmen in Höhe von 400 Millionen Euro“ entstanden. Seit dem Jahr der Regierungsübernahme von CDU und FDP 2017 bis 2019 seien aber die Einnahmen rasant von 3,1 auf 3,9 Millionen Euro gestiegen. „Diese Entwicklung gibt der Landesregierung die finanziellen Spielräume, die Erhöhung des Steuersatzes wieder zu senken. Anstatt ihr Versprechen einzulösen, versteckt sich die Regierung Laschet hinter erfolglosen Bundesratsinitiativen.“

Der stellvertretende SPD Fraktionsvorsitzende Michael Hübner sieht NRW-Finanzminister Lutz Lienenkämper (CDU) in der Pflicht. Der werde von seinen zahlreich einzulösenden „anderen Wahlversprechen“ an der Absenkung der Grunderwerbsteuer gehindert. „Die größte Unverschämtheit aber ist, dass die Landesregierung auch noch eine Bundesratsinitiative gestartet hat, um über ein Bundesgesetz die Möglichkeit für Freibeträge beim Grunderwerb zu schaffen. Um ihr Wahlversprechen einzulösen, braucht die Landesregierung aber kein Bundesgesetz. Die Bundesrats-Initiative ist deshalb völlig überflüssig. Deshalb: Nicht ablenken, sondern Versprechen einlösen.“

Mit der Bundesratsinitiative hatte die NRW-Regierung in einem Entschließungsauftrag im September 2017 die Bundesregierung aufgefordert, die Grundlagen für einen Freibetrag für Familien bei selbst genutztem Wohneigentum zu schaffen. Weil darin aber Einnahmeausfälle der Länder anteilig durch den Bund kompensiert werden sollen, ist die Bereitschaft in Berlin schlicht nicht vorhanden. Das Ergebnis dieser Initiative aber, teilte das Finanzministerium dieser Zeitung auf Anfrage mit, bleibe „vor der Entscheidung über konkrete eigene Maßnahmen im Land Nordrhein-Westfalen abzuwarten“.

In den Regierungsfraktionen sieht man sich mit dem Verweis auf den Bundesrat aus dem Schneider. „Aus unserer Sicht ist der Freibetrag, durch den gezielt Familien bei einer Immobilie bis zu einem Preis von 500 000 Euro vollständig von der Grunderwerbsteuer entlastet werden, die beste Lösung“, sagt der FDP-Fraktionsvorsitzende Christof Rasche. Leider habe sich bislang im Bundesrat dafür keine Mehrheit gefunden. Auf diese Weise, so Rasche, seien aber Familien gezielt zu fördern. „Diese Zielgenauigkeit in der Förderung kann eine pauschale Senkung der Grunderwerbsteuer nicht erreichen.“

Auch Arne Moritz, finanzpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, verweist auf die „zielgerichtete“ Bundesratsinitiative von 2017. Und: „Im Bund steht der Bundesfinanzminister in der Verantwortung, konstruktive Vorschläge zu liefern.“ Außerdem seien verschiedene Hilfen für junge Familien beim Thema Immobilien und Eigentumsbildung durchaus schon geschaffen worden. „Ich denke da etwa an das Baukindergeld oder die Beteiligung der Verkäufer bei der Maklerprovision ab 2021. Von Seiten des Landes haben wir darüber hinaus mit dem zusätzlichen beitragsfreien Kitajahr eine konkrete finanzielle Entlastung für junge Familien geschaffen“, sagt Moritz.