Interview „Ich bin kein Zählkandidat“

Wuppertal · Im Interview spricht der Landtagsabgeordnete Marcel Hafke über seine Ziele für Wuppertal. Er sieht sich als einziger OB-Kandidat der bürgerlichen Mitte.

Marcel Hafke (FDP) stellt sich zur Wahl als Oberbürgermeister.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Das Gespräch führten Andreas Boller und Katharina Rüth

Herr Hafke, was sind Ihre Ziele bei der Wahl am 13. September?

Marcel Hafke: Mein persönliches Ziel ist es, an diesem Tag in die Stichwahl zu kommen und danach Oberbürgermeister zu werden.

Also geht es nicht darum, ein gutes Ergebnis für die FDP zu erzielen? Sie sehen sich nicht als Zählkandidat?

Hafke: Auf keinen Fall. Es ist gut, wenn die FDP ein gutes Ergebnis bekommt. Aber bei der Oberbürgermeisterwahl geht es um die Person, die die Stadt in den nächsten fünf Jahren führen soll. Und da mache ich den Bürgern ein ernsthaftes alternatives Angebot zu den bisherigen Kandidaten.

Sie starten, wenn man die Stärke der Fraktionen im Stadtrat sieht, von Position vier. Da müssen Sie SPD, CDU und Grüne überholen. Wie wollen Sie das schaffen?

Hafke: Wie gesagt, es geht nicht um Parteien, sondern um Personen. Meines Erachtens gibt es derzeit keinen bürgerlichen Kandidaten und keinen, der die Mitte der Stadt im Blick hat. Deswegen geht es nicht darum, irgendwen zu überholen oder nach vorne zu kommen, sondern zu sagen, dass die Stadt in den nächsten fünf Jahren entscheidend vorankommen muss. Die nächsten fünf Jahre sind sehr zentral für Wuppertal. Wir brauchen jemanden, der das Handwerk versteht, die Stadt zu reformieren, die Weichen zu stellen. Dieses Angebot kann ich machen, da ich seit zehn Jahren im Landtag bin, entsprechende Ideen habe und eine Vorstellung, wo Wuppertal in 20, 30 Jahren stehen soll.

Ein FDP-Oberbürgermeister wäre ohne Hausmacht. Die Verwaltung ist über Jahre von SPD und CDU regiert worden. Möglicherweise gibt es auch in der Verwaltung Mitarbeiter, die parteiliche Bindungen haben. Wie wollen Sie sich da behaupten?

Hafke: Erstmal sehen wir ja, dass nach 74 Jahren CDU und SPD die Stadt Wuppertal steht, wo sie heute steht. Da sind wir im nationalen und nordrhein-westfälischen Ranking eher im unteren Drittel zu finden. Mir ist es egal, welches Parteibuch die Mitarbeiter in der Verwaltung haben, weil sie exzellente Arbeit leisten. Wir müssen sie jetzt nur in die Lage versetzen, tatsächlich auch die Reformen zu begleiten und anzustoßen. Da ist es, glaube ich, gut, wenn wir in Zukunft in Wuppertal auf wechselnde Mehrheiten setzen. Wir haben bei zehn Jahren GroKo und jetzt auch bei Schwarz-Grün gesehen, dass es nicht wirklich vorangeht.

Die Stadt Wuppertal hat große finanzielle Probleme. Sie haben gesagt, dass die Stadt nicht immer nach der Hilfe von Bund und Land schauen soll. Können sie es in Zeiten von Corona als kleinere Partei und als Einzelkandidat schaffen, ihre Ziele ohne Hilfe durchzusetzen?

Hafke: Dass wir einen Stärkungspakt Finanzen haben, ist insbesondere mir zu verdanken, weil ich damals für die entsprechenden Stimmen in der Minderheitsregierung gesorgt habe. Es kommt nicht auf die Mehrheiten im Stadtrat an, sondern ob wir einen starken und durchsetzungsstarken Oberbürgermeister haben. Beim Thema Finanzen: Ich habe einen sehr engen und guten Draht zur Landesregierung, denn wir brauchen. Unterstützung aus Bund und Land, keine Frage. Aber wir können uns darauf nicht alleine verlassen. Wuppertal hat in den vergangenen Jahren keine Wirtschaftspolitik betrieben, um die Einnahmen zu verbessern. Erstmals seit Jahren gibt es überhaupt einen Dezernenten für Wirtschaft, der amtierende Oberbürgermeister hat das bislang nicht als eine Schwerpunktaufgabe angesehen.

Der neue Dezernent hat ein grünes Parteibuch. Der Verwaltungsvorstand besteht also aus Wahlbeamten von CDU, SPD und Grünen. Wie wollen Sie sich durchsetzen?

Hafke: Auch hier geht es nicht um die Partei, sondern um die Kompetenz, Ämter ausüben zu können. Als Oberbürgermeister muss man einen Verwaltungsvorstand auch führen können. Ich erwarte von jedem Dezernenten, dass er seine Arbeit anständig macht, egal welche Parteifarbe er hat.

Es gibt ein Plakat von Ihnen, das fehlende Kitaplätze thematisiert. Aber die Stadt baut, sie versucht, den Bedarf zu decken.

Hafke: Richtig, sie versucht. Denn in Wuppertal wurde keine Bedarfsanalyse gemacht, wie viele Plätze in den jeweiligen Stadtteilen überhaupt gebraucht werden, sondern da wird nach Gefühl gearbeitet. Es gibt keine Großstadt in NRW, die über die letzten Jahre so schlecht bei der Kitaplatz-Vergabe ist wie Wuppertal. Wir haben als Land NRW jetzt eine Flatrate auf den Weg gebracht, wodurch jeder Kitaplatz, der gebaut wird, auch gefördert wird. Da muss die Stadt Wuppertal doch Pläne in der Schublade haben.

Ein Problem ist aber auch, dass Flächen fehlen für die Kitas. Wie wollen Sie das lösen?

Hafke: Bestehende Kitas können erweitert werden. Wir haben mehr als 100 Schrott­immobilien in Wuppertal, die können wir für Wohnungen, Gewerbe und Kitas sowie für Bildungsangebote nutzen. Aber dafür braucht es einen Plan. Angesichts der Leerstände müssen Kitas nicht immer auf einem komplett leeren Gelände gebaut werden. Wir können auch alte Fabrikgebäude umnutzen. Die privaten Träger wie der CVJM zeigen schon, wie es geht.

Ein weiterer Punkt ist ja auch das fehlende Personal...

Hafke: Bis eine Erzieherin ausgebildet ist, braucht es rund fünf Jahre. Ich bin der Meinung, dass die Stadt über Bedarf ausbilden muss. In anderen Städten in NRW gibt es diese Engpässe übrigens nicht. Man könnte versuchen, dieses Personal anzuwerben, ihnen sagen „Kommt nach Wuppertal, hier gibt es einen sicheren Arbeitsplatz. Dann darf man sie allerdings nicht befristet einstellen, was in der Vergangenheit häufig geschehen ist. Wir müssen Menschen aus anderen Regionen begeistern.

Und wie kann man sie begeistern?

Hafke: Zum Beispiel mit gutem und günstigen Wohnraum, einem sicheren Arbeitsplatz. Aber auch mit der Lebensqualität, die in Wuppertal sehr hoch ist. Wir sind eine grüne Großstadt, haben viel Kunst und Kultur. Man kann hier gut leben. Für Wuppertal wird nur kaum Werbung gemacht. Das müssen wir ändern, um gute Leute in die Stadt zu ziehen.

Das heißt, die Stadt muss Geld für Werbung in die Hand nehmen?

Hafke: Einmal um Fachkräfte, aber auch um Unternehmen nach Wuppertal zu holen. Ich habe vorgeschlagen, Stadtmarketing und Wirtschaftsförderung zusammenzutragen, um sich national und international um Unternehmen und Mitarbeiter zu kümmern. Wuppertal ist bei den Menschen nicht die erste Wahl, wir müssen sie überzeugen. Das können wir nur mit guten Ideen und Konzepten.

Sie haben vorgeschlagen, die Gewerbesteuer zu senken. Ist das denn realistisch, wenn angesichts der Corona-Pandemie Einnahmeausfälle auflaufen?

Hafke: Noch hat die Stadt Wuppertal keine Einnahmeausfälle, weil Bund und Land das kompensieren. Wir müssen schauen, welche zusätzlichen Anreize wir den Unternehmen bieten, in die Stadt zu kommen, wenn in den umliegenden Städten wie Monheim oder Haan die Gewerbesteuer niedriger ist.

Besteht nicht die Gefahr, dass die Stadt Monheim, die finanziell gut dasteht, die Gewerbesteuer dann noch einmal senkt?

Hafke: Die Gewerbesteuer war in Monheim nur ein Baustein. Zusätzlich wurden Kitaplätze gebaut, Glasfaser in die Gewerbegebiete gebracht, Wohnraum angeboten und eine Marketingstrategie gefahren. Das muss dann als Gesamtstrategie angesehen werden, die Gewerbesteuer an sich wird kaum Effekte haben.

Und das alles kann ein Oberbürgermeister bewegen, oder ist er nur ein Papiertiger?

Hafke: Nein, der Oberbürgermeister ist in jeder Stadt der einflussreichste Politiker. Er kann nicht alles umsetzen, aber vieles auf den Weg bringen. Dafür braucht man eine gute Verwaltung, gute Dezernenten und eine gute Wirtschaftsförderung. Als Oberbürgermeister muss man Impulse setzen. In Wuppertal kamen die Impulse zuletzt mehr aus der Gesellschaft, nicht aus der Politik.