Himmelgeister Rheinbogen Den alten Deich sanieren oder lieber einen neuen im Hinterland planen?

Düsseldorf · Der Streit um den Himmelgeister Rheinbogen: Die Kritiker und die Haltung der Oberbürgermeister-Kandidaten.

Der Himmelgeister Deich: Wenige Hundert Meter hinter den Bäumen rechts fließt der Rhein. Der geforderte neue Deich würde hinter der Fläche links entstehen.

Foto: Klaus Kurtz

Der Hochwasserschutz ist für eine am Rhein gelegene Stadt wie Düsseldorf ein wichtiges Thema. Vor Kommunalwahlen kann es auch ein Wahlkampfthema sein. Wenn nämlich, wie dies in Himmelgeist der Fall ist, Umweltverbände und Bürger nicht damit einverstanden sind, wie dieser Hochwasserschutz von der Stadt geplant wird.

Die Problemlage am Himmelgeister Rheinbogen

Der Himmelgeister Rheinbogen im Düsseldorfer Süden ist ein noch erhaltenes Stück niederrheinischer Landschaft. Die an dieses Naturschutzgebiet angrenzenden Stadtteile Himmelgeist und Itter werden durch einen Deich geschützt, der in seinem jetzigen Zustand einem großen Hochwasser kaum standhalten würde. Diesem lange bekannten Zustand wollte man zunächst durch einen neuen, zurückverlegten Deich begegnen. Der alte im Rheinbogen befindliche Deich wäre stehen geblieben. Zwischen beiden Deichen könnten sich Naturräume ausbreiten. Schützenswerte Pflanzen und Bienenbestände im Bereich des jetzigen Deiches blieben erhalten. Und der Rhein könnte sich bei Hochwasser gefahrlos weiter ausbreiten.

Doch die Stadt will keinen neuen Deich im Hinterland bauen, sondern das bestehende, etwa 1900 Meter lange Deichstück sanieren. Mit der von Umweltschützern befürchteten Konsequenz, dass hinter dem sanierten Deich dann hochwassergeschützte Baugebiete entwickelt werden könnten. Dieses Thema wird auch im Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Düsseldorf vom 25. Mai dieses Jahres angesprochen. Da heißt es auf Seite 66: „…Darüber hinaus hat die Stadt Düsseldorf, als wachsende Großstadt, einen erhöhten Flächenbedarf für die Stadtentwicklung. Eine Rückverlegung im Himmelgeister Rheinbogen würde mögliche städtebauliche Entwicklungsflächen verbrauchen.“

79 Wildbienenarten, teilweise vom Aussterben bedroht, wurden auf dem Himmelgeister Deich nachgewiesen.

Foto: Klaus Kurtz

Gegner der Planung wollen einen neuen Deich im Hinterland

Die Naturschützer schlossen sich im September 2019 zur „Deichkonferenz Düsseldorf“ zusammen. Eine an den Oberbürgermeister gerichtete Onlinepetition (openpetition.de, Suchwort Himmelgeist) haben bisher 1617 Menschen, darunter 1338 Düsseldorfer und Düsseldorferinnen, unterstützt. Darin heißt es: „Wir fordern die Stadt Düsseldorf auf, die aktuellen Planungen zur Sanierung des Himmelgeister Deichs umgehend zu stoppen und die Rückverlegung des Deichs in Angriff zu nehmen, um das Naherholungsgebiet Himmelgeister Rheinbogen dauerhaft vor Bebauung zu schützen.“ Der Bund für Umwelt- und Naturschutz flankiert diese Petition mit seiner Ende Juni vor dem Oberverwaltungsgericht Münster eingelegten Klage.

So reagieren die Kandidaten für das Oberbürgermeister-Amt

Und was sagen die aussichtsreichsten Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl? Bei  Stefan Engstfeld (Grüne), der sich am vergangenen Freitag die Situation vor Ort noch einmal von den Naturschützern ausführlich erklären ließ, laufen sie damit offene Türen ein. Die geforderte Rückverlegung des Himmelgeister Deiches verbessere den Hochwasserschutz und das Stadtklima, schütze die bestehenden Trockenwiesen und Wildbienenbestände und biete eine Jahrhundert-Chance, ein weiteres Naturgebiet in Düsseldorf für Mensch und Tier zu schaffen. Engstfeld: „Ich bin dafür, dass wir eine neue Planung angehen, nämlich die einer Rückverlegung des Himmelgeister Deiches.“

Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die Oberbürgermeister-Kandidatin der FDP, sieht es anders: Ein erneutes Planungsverfahren werde jahrelang dauern. „Das wäre ein nicht hinnehmbarer Zeitverlust, da wir diese Zeit nicht haben. Der Deich ist nämlich überhaupt nicht standfest. Ein neues Planungsverfahren würde er wegen der zeitlichen Dauer nicht überleben.“

Der Deich sei nach dem Zweiten Weltkrieg schnell mit Schutt errichtet worden und nicht stabil. „Wenn ein neues Hochwasser kommt, ist er nicht mehr geeignet, dieses Wasser abzuhalten.  Dann werden die Gebiete bis Wersten geflutet. Das wäre eine Katastrophe, die wir nicht verantworten können.“ Der Vorschlag von Stefan Engstfeld, nach der Wahl eine neue Planung in Angriff zu nehmen, sei, so sagt es Strack-Zimmermann, „eine nette Forderung für seinen Wahlkampf, aber nicht realistisch und nicht umsetzbar“.

Auch werde der Bestand der Wildbienen-Arten nicht gefährdet, so die FDP-Politikerin: „Es geht nicht darum, neue Bauflächen auszuweisen, ganz im Gegenteil. Es geht ausschließlich um den Schutz der bestehenden Baugebiete. Wir wollen das schützen, was dort ist.“

Der Kandidat der SPD und amtierende Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel sagt zwar nichts zu einer von den Umweltschützern befürchteten Bebauung, argumentiert ansonsten aber ähnlich wie seine FDP-Konkurrentin: „Für den Neubau des Deiches liegt ein Planfeststellungsbeschluss vor. Wenn wir das jetzt wieder aufheben, um eine Rückverlegung zu planen, dauert es nach Auskunft der Experten hier im Rathaus 15 Jahre, bis man einen neuen Planfeststellungsbeschluss hat. 15 Jahre kann man im Hinblick auf den Hochwasserschutz in Himmelgeist nicht warten.“

Stephan Keller, Oberbürgermeister-Kandidat für die CDU, sieht es so: „Die letzte Lücke im Hochwasserschutz in Düsseldorf muss geschlossen werden. Ich möchte, dass der Deich so schnell ertüchtigt wird, wie es der Planfeststellungsbeschluss vorsieht. Das sind wir nicht nur den Menschen in Himmelgeist schuldig, sondern auch in Itter, Himmelgeist und Wersten.“ Der CDU-Politiker geht aber auch auf die Bedenken in Sachen einer möglichen Bebauung ein: „Es steht für mich außer Frage, dass der Himmelgeister Rheinbogen niemals bebaut werden darf.“