Ab 15. Juni Täglich zur Grundschule in NRW? Das ist geplant - Verband „fassungslos“

Düsseldorf · Noch vor den Sommerferien sollen alle Grundschüler in NRW täglich in ihre Schulen kommen. Wie das funktionieren soll, hat die Schulministerin erklärt. Der Verband Bildung und Erziehung kritisiert die Maßnahmen scharf.

NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) bei einem Grundschulbesuch im Januar 2019. Grundschüler sollen nach ihrer Vorstellung schon bald wieder täglich unterrichtet werden.

Foto: dpa/Oliver Berg

Alle Kinder im Grundschulalter sollen in Nordrhein-Westfalen ab dem 15. Juni wieder täglich zur Schule gehen. Das kündigte Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) am Freitag in Düsseldorf an. Bis zu den Sommerferien sollen die rund 600 000 Grundschüler an allen Wochentagen die Schule besuchen. „Wenn es um die Bildung geht, zählt jeder Tag“, sagte Gebauer. Aber wie stellt sich die Ministerin das vor?

Es soll wieder Unterricht im normalen Klassenverband geben

Nach Gebauers Angaben soll in einem festen Klassenverband unterrichtet werden. Die Anfangs- und Pausenzeiten sollen an den Schulen für alle Klassen gestaffelt werden. Statt dem Abstandsgebot sollen die Gruppen auf diese Weise strikt unter sich bleiben - und möglichst nur vom Klassenlehrer unterrichtet werden. Eine Maskenpflicht werde es nicht geben.

Für die Anwesenheit der Schüler gibt es laut Gebauer eine Dokumentationspflicht. Auch der Offene Ganztag werde unter diesen Voraussetzungen wieder aufgenommen. Die Notbetreuung an den Grundschulen ende damit, so Gebauer.

Für die 2,5 Millionen Schüler in NRW war nach längerer Corona-Zwangspause vor einigen Wochen wieder nach und nach tageweise der Präsenzunterricht aufgenommen worden. Um in größerem Umfang Unterricht in den Klassenräumen anbieten zu können, braucht es entsprechend viel Personal. Vor einigen Tagen hatte Gebauer daher bereits angekündigt, dass ältere oder vorerkrankte Lehrer nicht mehr grundsätzlich vom Unterricht in den Klassenräumen ausgenommen werden sollen. An den Grundschulen seien rund 80 Prozent der Lehrer dienstfähig und könnten Präsenzunterricht erteilen.

Eltern sollen auf Symptome einer Covid-19-Erkrankung achten

In einer E-Mail an die Schulen schrieb das Ministerium am Freitag: „Die Erziehungsberechtigten müssen darauf achten, dass die Kinder vor dem Schulbesuch keine der bekannten Symptome einer Covid-19-Erkrankung aufweisen.“ Sofern Schülerinnen und Schüler eine Corona-relevante Vorerkrankung haben „oder mit Angehörigen mit entsprechenden Vorerkrankungen in häuslicher Gemeinschaft leben“ entfalle die Pflicht zur Teilnahme am Präsenzunterricht bis zum Ende des Schuljahres.

In Zweifelsfällen könne die Schule von den Eltern ein Attest verlangen und ein schulärztliches oder amtsärztliches Gutachten einholen.

Für die weiterführenden Schulen bleibt es bis zu den Sommerferien dagegen noch bei einem Mix aus Distanz- und Präsenzunterricht. Sollte es aber Kapazitäten für die Ausweitung des Präsenzunterrichts geben, sollten diese genutzt werden, sagte Gebauer. Da es an den weiterführenden Schulen aber Kurssysteme sowie noch Abschlussprüfungen gebe, könne angesichts der notwendigen Schutzmaßnahmen der Präsenzunterricht dort nicht problemlos wieder im vollen Umfang aufgenommen werden. Ihr Anspruch sei aber, nach den Sommerferien auch dort „zum regulären Schulbetrieb zurückzukehren“.

Verband Bildung und Erziehung ist „fassungslos“ angesichts der Pläne für die Grundschulen in NRW

Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) hat den geplanten Regelbetrieb an Grundschulen in NRW ab dem 15. Juni scharf kritisiert. „Abstandsregeln und die Vermeidung von Infektionsketten sollen keine Rolle mehr spielen“, monierte die Lehrergewerkschaft nach Bekanntwerden der neuen Planungen am Freitag. Die hart erarbeiteten Konzepte mit einem Mix aus tageweisem Präsenzunterricht und Lernen auf Distanz würden nun umgeworfen.

Das stehe angesichts von nur noch zwei Wochen bis zum Beginn der Sommerferien „in keinem Verhältnis zum Nutzen“, sagte der Landesvorsitzende Stefan Behlau laut Mitteilung.

„Wir sind fassungslos über den Umgang mit den Schulen in Nordrhein-Westfalen.“ Die ganze Energie müsse in die Planung des nächsten Schuljahres fließen, statt kurzfristig für wenige Tage umzusteuern.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) äußerte sich empört und sprach von „reiner Symbolpolitik“ auf dem Rücken von Schülern und Lehrern. Eine Gefährdung ihrer Gesundheit für wenige zusätzliche Tage im Schulbetrieb sei ein zu hoher Preis, kritisierte Landeschefin Maike Finnern.

Die Landeselternkonferenz hat die für NRW angekündigte Rückkehr zum Regelbetrieb als „unsinnig“ kritisiert. „Für Schüler und Eltern ist nichts gewonnen. Innerhalb von zehn Tagen vor den Ferien wieder in einen Schulrhythmus zu finden, ist nicht machbar“, sagte die Vorsitzende der Landeselternkonferenz, Anke Staar, am Freitag auf dpa-Anfrage. Es drohe eine „Vollkatastrophe“, wenn nun ohne Abstandsregelung unterrichtet werden solle. Es sei zu befürchten, dass es zu Ansteckungen komme. „Dann beginnen die Ferien für viele Familien erst mal mit einer zweiwöchigen Quarantäne.“

(dpa)