Regierung Uneinigkeit in der Landesregierung: Schwere Zeiten für NRW
Düsseldorf · Bei der Debatte im Landtag über den Haushalt 2023 gibt es nur in einem Punkt Einigkeit: Ernste Krisen haben NRW in schweres Fahrwasser gebracht. Was für die belasteten Bürger, Wirtschaft und Kommunen nun zu tun ist, sehen aber alle unterschiedlich.
Trotz zahlreicher Krisen will die Landesregierung im kommenden Jahr in Nordrhein-Westfalen ohne neue Schulden auskommen. Die Explosion der Energiekosten, hohe Inflation und rasante Zinssteigerungen sowie die Folgen von Pandemie und Flutkatastrophe hätten Spuren hinterlassen, sagte Finanzminister Marcus Optendrenk am Mittwoch im Düsseldorfer Landtag. Deutschland sei angesichts vieler Krisen auf dem Weg in eine Rezession, das werde auch das Industrieland NRW treffen. Der Bund enge zudem den Handlungsspielraum des Landes weiter ein, kritisierte der CDU Politiker bei Einbringung des Haushaltsentwurfs der schwarz-grünen Regierung für 2023.
Bei den Etatplanungen handele es sich zunächst nur um einen „Basishaushalt“, der „ausgewogen“ sei und ohne neue Schulden auskomme. Das Volumen des Etats für das kommende Jahr soll im Vergleich zu 2022 um rund 5 Milliarden Euro auf 93,4 Milliarden Euro steigen. Optendrenk kündigte an, die Planung zügig um noch unberücksichtigte Einnahme- und Ausgabenposten zu ergänzen. Viele wichtige Punkte seien aber noch ungewiss und aktuell nicht zu beziffern, da Bund-Länder-Gespräche zu deren Finanzierung nicht abgeschlossen seien. Sobald hier Klarheit herrsche, werde er dem Parlament Ergänzungen zu dem Etatentwurf vorlegen.
So sind im ersten Haushalt der noch jungen Landesregierung aus CDU und Grünen die auf NRW zukommenden Lasten aus dem milliardenschweren Entlastungspakets des Bundes noch nicht berücksichtigt, da ihre Höhe noch unbekannt ist. Über die strittige Finanzierung wollten die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten am Mittwochnachmittag mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beraten.
Die Fraktionschefin der mitgerierenden Grünen, Verena Schäffer sagte, es werde „weitere Nachsteuerungen“ beim NRW-Etat geben. Das Vorgehen sei zwar „nicht wünschenswert“ für das Parlament, aber zwingend, da eine „Schrittigkeit“ einzuhalten sei: Aktuell verhandelten die Länder mit dem Bund neben dem Entlastungspaket auch über viele weitere Fragen - etwa Wohngeld, Flüchtlingskosten, Nachfolge für ein 9-Euro-Ticket. Es sei nicht absehbar, was das alles finanziell für NRW bedeuten werde.
Der Entwurf kalkuliert eine Steigerung der Steuereinnahmen um 3,6 Milliarden auf 75,4 Milliarden Euro ein. Die Basis dafür ist allerdings noch die Mai-Steuerschätzung. Die erst vor einigen Tagen in Berlin vorgelegten aktuellen Herbst-Zahlen seien noch nicht eingepreist, erläuterte Optendrenk. Die Regionalisierung der Zahlen liege noch nicht vor, ergänzte Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU).
Die Kommunen sollten insgesamt 15,2 Milliarden Euro vom Land erhalten - etwa 1,2 Milliarden Euro mehr als 2022, betonte Scharrenbach. Städte und Gemeinden benötigten „belastbare Annahmen“, um handlungsfähig zu bleiben - auch wenn einige Zahlen vom Bund noch fehlten, also nicht eingearbeitet seien.
Schäffer zufolge gehört Armutsbekämpfung zu den wichtigsten Aufgaben - und dafür brauche es auch die Kommunen. Dem Klimaschutz gehöre ebenfalls ein Schwerpunkt. „Ich bin mir sicher, dass unsere Kinder und Enkel uns eines Tages nicht dafür danken werden, dass wir ihnen eine Schwarze Null und dafür einen kaputten Planeten hinterlassen haben.“
Finanzminister Optendrenk betonte, in den aktuell angespannten Zeiten erfordere solide Haushaltspolitik Ausgabendisziplin. Im Entwurf der NRW-Koalition kommt das Schulministerium mit rund 21,7 Milliarden Euro auf das größte Ausgabevolumen. Die Ausgaben für innere Sicherheit summieren sich auf knapp 6 Milliarden Euro. Für Prioritäten und wichtige Vorhaben der Koalition seien 482 Millionen Euro eingeplant - etwa für Projekte im Klima- und Katastrophenschutz, Cybersicherheit, Bildungsprojekte oder auch zugunsten des Ehrenamts.
Der Etatentwurf ist nach Ansicht der oppositionellen SPD-Fraktion nur ein „Platzhalter“ oder „Dummy-Haushalt“. Die Zahlen seien keine realistische Entscheidungsgrundlage, kritisierte SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty. Er verlangte einen Zukunftspakt für die Wirtschaft. Es brauche „schnelles staatliches Handeln“, um die Unternehmen in der aktuellen Energiekrise zu unterstützen. Die Landesregierung müsse Vorkehrungen gegen eine drohende Rezession treffen und soziale Folgen der Energiekrise abfedern.
Die FDP sprach von einer „Schlafwagenpolitik“, die sich in den Haushaltszahlen offenbare. Die Landesregierung überhöre alle Alarmzeichen und habe keinerlei Vorkehrungen getroffen, um die Menschen und Unternehmen gegen die Krisen zu schützen, monierte Fraktionschef Henning Höne. Für die AfD warf der Fraktionsvorsitzende Martin Vincentz der Koalition eine „fehlgeleitete Einwanderungspolitik“ vor, Scheitern in der Energiepolitik und Fehler bei Bildungsfragen.
Schwarz-Grün investiere zu wenig in Bildung, hieß es auch seitens der SPD bei der ersten Lesung des Haushalts. Dagegen unterstrich CDU-Fraktionschef Thorsten Schick, dass die Koalition über 37 Milliarden Euro Investitionen insgesamt für Bildung ausgebe - gut ein Drittel des gesamten Etats für 2023. Eine Verabschiedung ist kurz vor Weihnachten geplant.