Opferschutzbeauftragte Hilfe für die Opfer von Straftaten

DÜSSELDORF · Barbara Havliza, ehemalige Richterin und Justizministerin, wird Nachfolgerin der NRW-Opferschutzbeauftragten Elisabeth Auchter-Mainz.

Die scheidende NRW-Opferschutz-Beauftragte Elisabeth Auchter-Mainz (rechts) und ihre Nachfolgerin Barbara Havliza.

Foto: dpa/Oliver Berg

„Wir sind hier doch nicht in einer Therapiestunde“. Empathieloser kann man dem Opfer einer Straftat kaum begegnen wie mit dieser Belehrung eines Richters, die Elisabeth Auchter-Mainz zitiert. Sie ist die scheidende Opferschutzbeauftragte des Landes NRW. Eine als Zeugin vernommene Frau hatte diesen Satz als Antwort darauf bekommen, dass sie vor Gericht gesagt hatte, unter den Folgen der Tat zu leiden.

 „Das geht nicht“, appelliert Auchter-Mainz an Richter und auch Staatsanwälte. Es sei wichtig für die Menschen, wahrgenommen zu werden. „Als Mensch, den die Straftat aus der Bahn geworfen hat.“ Dieses „sich kümmern“ um die Opfer einer Straftat war seit 2017 die Aufgabe von Auchter-Mainz. Ein Amt, das sie jetzt weitergibt an eine, die es in ihrem Berufsleben vor allem mit den Tätern zu tun hatte.

Barbara Havliza war lange Jahre Strafrichterin: Als Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Düsseldorf bei einem Staatsschutzsenat, bei dem es um Prozesse gegen IS-Kämpfer ging. Und sie verurteilte den Mann wegen versuchten Mordes zu 14 Jahren Haft, der das Attentat auf die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker verübt hatte. Später war Havliza fünf Jahre lang Justizministerin in Niedersachsen, bevor sie jetzt zurückkommt in die alte Heimat.

Zwei Tage vor ihrem Amtsantritt als neue NRW-Opferschutzbeauftragte reagiert Havliza in einer Pressekonferenz auf das von ihrer Vorgängerin erwähnte Beispiel.  Sie könne nachempfinden, warum es einer Richterin oder einem Richter nicht so leicht fällt, Empathie mit einem Verbrechensopfer zu zeigen. Sie habe über Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern, über Mord und Totschlag geurteilt. Da bewege man sich auf schmalem Grat, müsse oftmals scheinbare Empathielosigkeit zeigen, um sich nicht dem Vorwurf der Befangenheit auszusetzen. Andererseits sei da natürlich das innere Bedürfnis, dem Opfer zu zeigen, dass man mit ihm mitfühlt. Die  organisatorisch an das NRW-Justizministerium angegliederte Opferschutzbeauftragte sitzt mit einem kleinen vierköpfigen Team in den Räumen des Oberlandesgerichts Köln. Und ist Ansprechstelle für Verbrechensopfer oder deren Angehörige. Die scheidende Leiterin Auchter-Mainz erzählt, dass 2017 bereits zehn Minuten nach Amtsantritt das Telefon bei ihr geklingelt habe. Eine von häuslicher Gewalt betroffene Frau rief an. Solche Kontakte habe es immer wieder gegeben, insbesondere während der Pandemie.

Die Opferschutzbeauftragte und ihr Team geben dann Hilfestellung, verweisen an Einrichtungen, bei denen es etwa therapeutische, rechtliche oder auch finanzielle Hilfe für Verbrechensopfer gibt. Bei Großlagen wie etwa nach der Amokfahrt im April 2018 in Münster wurden Betroffene vor Ort über Hilfsangebote informiert. Oder nach dem Messerattentat in der Hochschule Hamm-Lippstadt im vergangenen Sommer – da organisierte man auch eine Informationsveranstaltung zu dem, was bei einer strafrechtlichen Gerichtsverhandlung auf aussagepflichtige Zeugen zukommt.

Die Interessen und der Schutz von Zeugen spielen eine große Rolle bei der Arbeit der Opferschutzbeauftragten. Was sagen die Expertinnen da zu den aktuell diskutierten Plänen, dass demnächst die strafrechtliche Hauptverhandlung auf Video aufgenommen werden soll? Wofür es ja durchaus gute Gründe gibt: Denn bislang stützten die Richter ihr Urteil vor allem auf die eigenen Notizen dessen, was die Hauptverhandlung ergeben hat. Dass ein Zeuge vielleicht etwas ganz anderes gesagt hat, lässt sich von den anderen Prozessbeteiligten nicht nachweisen.

Dennoch lehnen Auchter-Mainz und Havliza diese Pläne vehement ab. Auchter-Mainz sagt: „Das wird Menschen davon abhalten, insbesondere nach Sexualstraftaten Anzeige zu erstatten.“ Havliza stimmt zu: „Es sind doch schon  Ausnahmesituationen, in denen jemand vor Gericht aussagt. Und wenn dann noch hinzukommt, dass das aufgezeichnet wird und der oder die Betroffene befürchten muss, dass die Aussage irgendwann noch öffentlicher wird als sie es eh schon ist – dann dient das nicht der Wahrheitsfindung. Und unter  Opferschutzgesichtspunkten geht es nicht, dass das Opfer auch noch Kameras auf sich gerichtet sieht, wenn es über schambesetzte Dinge sprechen muss.“

Diese Einschätzung teilt auch Justizminister Benjamin Limbach (Grüne), dessen Ressort das Amt der Opferschutzbeauftragten zugeordnet ist: „Die Leute werden sich dann viel genauer überlegen: Was sage ich, wenn ich damit rechnen muss, dass Verteidiger und Angeklagter diese Aussage immer wieder abrufen können?“ Er sehe die große Gefahr, „dass die Leute sich dann nicht als Opfer und Zeuge zur Verfügung stellen. Was wir in kleinen Schritten erreichen, dass man den Mut hat, sich an die Justiz zu wenden, das machen wir damit wieder kaputt“.