Demonstration 14 Jahre Montagsdemo in Wuppertal: „Wir sind das soziale Gewissen“
Seit 14 Jahren ruft Walter Kolbe alle zwei Wochen zur Montagsdemo gegen die Hartz-IV-Gesetze auf.
Wenn Walter Kolbe heute alle zwei Wochen vor den City-Arkaden steht und sich gegen Hartz-IV ausspricht, kommt es schon einmal vor, dass ein Passant stehen bleibt und den ehemaligen Deutsch-Lehrer fragt: „Wovon soll ich denn leben?“ Dann muss Kolbe erst einmal erklären, dass er niemandem etwas wegnehmen will. Im Gegenteil, seine Forderung, die seit 14 Jahren ungebrochen gilt, lautet: Zurück zum alten Arbeitslosengeld.
Die regelmäßige Montagsdemo in Wuppertal formierte sich 2004 als die aus der Agenda 2010 entstandene Sozialreform in Deutschland Wellen schlug. Statt Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe gab es Arbeitslosengeld (ALG) I und das als Hartz-IV bekanntgewordene ALG II. Kolbe erinnert sich: „Die Empörung war auch in Wuppertal groß.“ Dass gerade die SPD ein - in den Augen der Montagsdemonstranten - so unsoziales Gesetz verabschiedete, brachte die Leute auf die Straße. Kolbe erklärt seine Haltung: „Das sind Armutsgesetze, da wurden Familien nach unten gedrückt.“ Hartz-IV-Leistungen seien zu gering zum Leben. „Eine Mutter kann mit ihrem Kind doch nicht einmal mehr ins Café gehen“, sagt Kolbe. Es sei zudem eine Situation entstanden, in denen die Antragsteller im Jobcenter „menschenunwürdig“ behandelt werden.
Mit der Forderung, das alte Arbeitslosengeld zurückzubringen, riefen Walter Kolbe und ein paar Gleichgesinnte vor fast genau 14 Jahren zu der ersten Demonstration auf. Es folgten mehr als 100 Leute, wie sich Kolbe erinnert. Bis heute habe sich am Ablauf nichts geändert. Walter Kolbe begrüßt als Moderator die Demonstranten, hält eine kurze Ansprache und übergibt dann das Mikrofon an Menschen, die etwas sagen möchten. „Das sind oft Leute aus unseren Reihen, aber es darf auch jeder Passant gerne sprechen“, sagt Kolbe. Auch Gegenmeinungen seien erlaubt.
Mit den Jahren verblasste die Diskussion um Hartz-IV. Nicht bei Kolbe und dem „harten Kern“ der Montagsdemonstration. Rund 20 Mitglieder der Bewegung - Arbeiter, Rentner, Hartz-IV-Empfänger - erinnern weiterhin jeden zweiten Montag an soziale Ungerechtigkeit. Allerdings greifen die Plakate und Transparente immer wieder neue aktuelle Themen auf. Fukushima, Flüchtlinge, Erdogan - mit den Jahren verschob sich immer mal der Fokus. Nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima 2011 wurde die Montagsdemonstration zur Großveranstaltung gegen Atomkraft. Für Kolbe war diese Demonstration mit mehr als 2000 Teilnehmern ein emotionaler Höhepunkt. „Die Entschlossenheit der Menschen zu sehen war bewegend und mit welcher Empörung das Ereignis aufgenommen wurde.“
Für Walter Kolbe ist die Kurzlebigkeit von politischen Themen eine Schwäche unserer Zeit. Daher ist er auch so stolz, dass die Montagsdemonstration seit 14 Jahren an ihrer Sache festhält. „Wir sind das soziale Gewissen“, sagt Kolbe. An ein Ende ist nicht zu denken. „Weil das Thema nicht erledigt ist.“ Der Wuppertaler glaubt auch, dass die Bewegung im Laufe der Zeit noch größer und stärker wird.
Die Forderung lautet heute wie damals: Weg mit Hartz-IV. Zusätzlich will die Bewegung, die nach eigenen Angaben keiner Partei zuzuordnen ist, Arbeitsplätze durch eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich schaffen und fordert ein früheres Renteneintrittsalter. Und: Der Mindestlohn soll auf zwölf Euro gesetzt werden. Wie das bezahlt werden soll? Aktivist Walter Kolbe glaubt, dass Deutschland sich das leisten kann. Gerade in Zeiten des Wirtschaftswachstums müsse das möglich sein. Das Geld sei da - nur eben ungerecht verteilt.