Brexit 46 Briten beantragen den Doppelpass

Der Brexit hatte in Wuppertal bereits vorab Auswirkungen. Viele Briten hier sehen ihn gelassen, befürchten aber mehr Formalitäten.

Am 31. Januar wird der Austritt Großbritanniens  aus der Europäischen Union vollzogen.

Foto: dpa/Monika Skolimowska

Am 31. Januar werden sich die Briten aus der Europäischen Union verabschieden, auch wenn Big Ben nicht läuten wird. Unter den 288 Briten in Wuppertal wollten 46 Engländer, Schotten und Waliser gar nicht erst abwarten, bis der Brexit eingeläutet wird, sie haben bereits vorab die doppelte Staatsbürgerschaft beantragt. „Wir haben insgesamt 96 Wuppertaler Briten die Einbürgerung angeboten“, sagt Harald Teichmann, Fachbereichsleiter in der Ausländerbehörde. Am Donnerstag ging bei der Stadt ein Schreiben des Bundesinnenministers ein. Darin wurde mitgeteilt, dass sich am Status der in Wuppertal lebenden Briten bis zum 31. Dezember 2020 nichts ändern wird.

Bereits am 22. März 2019 – vor dem ersten Brexit-Termin – hatte die Ausländerbehörde einen Antragsservice für Briten eingerichtet. Fest steht, dass nach einem Brexit britische Staatsangehörige für ihren Aufenthalt im Bundesgebiet einen Aufenthaltstitel oder einen Nachweis über ihr Aufenthaltsrecht brauchen. Dazu müssen sie sich bei der Ausländerbehörde ihres Wohnortes melden oder einen Antrag auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltsrechtes stellen.“ Die Übergangsfrist werde über den 31. Dezember hinaus nicht verlängert, erwartet Hartmut Teichmann.

Eine Übergangsfrist bis zum Jahresende gibt es bei den Handelsbeziehungen. Nina Sehovic von der Bergischen IHK hat Zweifel, dass die kommenden elf Monate für Verhandlungen zu einem Freihandelsabkommen mit den Briten ausreichen. Bis Juli müssten beide Seiten sich mit einer Fristverlängerung über das Jahresende hinaus einverstanden erklären. Auch das sei fraglich. „ Die Unsicherheit wird gute und langwierige Handelsbeziehungen zwischen den Unternehmen auf die Probe stellen. Beide Seiten könnten sich nach sicheren Lieferanten umsehen“, bedauert Sehovic.

„An den guten Kontakten wird sich nichts ändern.“ Davon ist Luise Mertin überzeugt, die bei der Verwaltung die Städtepartnerschaften betreut, darunter die Partnerschaft mit South Tyneside. Man müsse abwarten, ob es jetzt Veränderungen bei den Einreisebestimmungen geben werde, insbesondere bei Dienstreisen. Sorgen machten sich die Kollegen, die das Erasmusprogramm der EU betreuen. Über dieses Programm werden Austausche von Stadtmitarbeitern gefördert.

Sorge, dass gegenseitige Besuche erschwert werden

2019 waren der Bürgermeister von South Tyneside, Norman Dick, und seine Stellvertreterin beim Langen Tisch. Von der WZ angefragt, schreibt dieser, dass die langjährige Städtepartnerschaft mit Wuppertal und ihre Verbindungen trotz Brexits fortgesetzt werden: „Wir sind stolz auf unsere Freundschaft mit Wuppertal.“ Er hofft, dass „sich unser Programm von Jugend-, Bildungs-, Sport- und Kulturbesuchen … anlässlich unseres 70-jährigen Jubiläums im nächsten Jahr und darüber hinaus weiter verstärkt“.

Der Wuppertaler Landtagsabgeordnete Josef Neumann ist Mitglied der Brexit-Enquetekommission des Landtags. „So bedauerlich der Brexit ist, so sehr ist es zu begrüßen, dass durch den im EU-Parlament verabschiedeten Vertrag ein Chaos-Brexit verhindert werden kann. Großbritannien ist das drittwichtigste Exportland für NRW und viele britische Firmen investieren bei uns. Auch das Bergische Städtedreieck wird spürbar vom Brexit betroffen sein“, sagt Neumann.

In der Kultur wird seit eh und je international gearbeitet. Wuppertaler Oper und Tanztheater Pina Bausch stehen aktuell vor Gastspielen in London, die dort im Februar Premiere feiern sollen. „Wir sind schon Jahrzehnte mit den Engländern zusammen“, sagt Intendantin Bettina Wagner-Bergelt. Auch wenn die Brexit-Entscheidung die Gastspiele nicht beeinträchtigen, bedauert man sie doch. Sieht vor allem für die Briten selbst Nachteile.

Jetzt beginne erstmal das Trennungsjahr, danach aber müssten die Engländer eben wie andere ausländische Künstler auch eine Arbeitserlaubnis haben, schätzt Chefdramaturg David Greiner und weist auf Bildungsprogramme der EU hin, an denen zukünftig die Briten nicht mehr teilhaben. Das sieht auch Tanztheater-Geschäftsführer Roger Christmann so und befürchtet, dass die Beziehungen komplizierter werden: „Für Menschen, die viel unterwegs sind, wird es heftig.“

Linda Cox, Inhaberin der Sprachschule Cox, sieht für ihr Institut zwar keine direkten Auswirkungen, befürchtet aber, dass es künftig für sie schwieriger wird, Sprachlehrer aus England zu bekommen. „Erst muss ich nachweisen, dass kein Deutscher den Job machen kann.“ Sie selbst, gebürtige Engländerin und seit 1982 in Wuppertal, sieht den Brexit mit zweierlei Augen. „Eines freut sich, eines weint“, sagt sie. Das sei wie bei einer Scheidung. Für viele Menschen in England sei es eine Befreiung, die Einwanderung sei dort ein Riesenproblem. „Anfangs wird es die Briten sicher viel Geld kosten, aber ich bin sicher, dass die Bindungen zu Europa erhalten bleiben.“ Sie selbst gehöre übrigens zu denjenigen, die im Zuge der Brexit-Diskussion die doppelte Staatsbürgerschaft beantragt haben und hat inzwischen beide Pässe.

Der Besitzer des britischen Bekleidungsgeschäfts Mulligan’s, Marcel Trapp, schätzt die Auswirkungen des Brexits auf seinen Laden eher gering ein. Denn außer der Modemarke „Barbour“ komme nichts, was er verkauft, aus Großbritannien. „Mir ist aber aufgefallen, dass sie sich etwas zurückhalten, was die Lagerbefüllung angeht“, erzählt er. Da Barbour ein Kommissionslieferant für ihn ist, werden Waren ab und zu wieder zurück nach England geschickt. Das sollte noch vor dem endgültigen Brexit geschehen, damit keine hohen Zölle entstehen, nimmt er sich vor.