Bühnenbilder 50 Jahre - und immer neue Bühnen-Ideen
Der gebürtige Wuppertaler Gerd Friedrich stattete Aufführungen in ganz Deutschland aus. Im nächsten Jahr zeigt er sein Werk in Berlin.
Die Neugier hat nie nachgelassen. Menschen kennen lernen, Stücke erfassen, Begegnungen – mit 75 Jahren wird bei Gerd Friedrich höchstens das Tempo etwas ruhiger. Doch der in Wuppertal geborene Bühnenbildner bleibt aktiv und kreativ. Anlässlich seines 50-jährigen Schaffensjubiläums stellt er vom 29. April bis zum 27. Mai 2020 unter dem Motto „Geschichten Raum geben“ in Berlin in der Landesvertretung Rheinland-Pfalz seine Werke aus. Ein großes Buch soll es werden, so sein Plan, mit 2,50 Meter hohen Seiten zum Umblättern. Darin Fotos und Skizzen seiner Bühnenbilder sowie Interviews zu seinem Werdegang.
Am Mittwoch ist der Künstler wieder zu Besuch in Wuppertal, auf Einladung seines alten Weggefährten Jochen Zoerner-Erb beim Kamingespräch. Mit dem Regisseur verbindet ihn ein bedeutendes Projekt: Am Nationaltheater Zagreb gestalteten die beiden mit „Tristan und Isolde“ die erste Wagner-Oper, die in Kroatien nach dem Zweiten Weltkrieg aufgeführt wurde. „Das war ein Highlight“, schwärmt Gerd Friedrich noch heute davon. Gleichzeitig betont er, dass ihm kleine Projekte ebenso sehr am Herzen liegen: „Ganz wichtig für meine Arbeit ist, dass ich alles gleich ernst nehme.“
Vor vier Jahren etwa habe er in Mannheim Shakespeares „Sturm“ mit bulgarischen und deutschen Laien aufgeführt, als Bühnenbildner für den Regisseur Hansgünther Heyme. „Da ist in dem Stadtteil etwas aufgebrochen – so etwas mache ich gerne“, erzählt er. „Kultur ist ein großartiges Mittel, um Menschen zusammenzuführen.“ Solche Projekte sind es, die ihn heute noch von seinem Bauernhof in Lonsheim bei Mainz weglocken. Früher, in seiner aktiven Phase, war der Bauernhof nur seltener Erholungsort neben wechselnden Wohnungen in deutschen Großstädten. „Ich hatte damals das Gefühl, ich brauche viel Platz und Natur um mich. Dort kann ich alles sammeln und habe eine Werkstatt inklusive Schreinerei und Schlosserei“, erzählt der Bühnenbildner.
Kreative Arbeit ist auch auf der Schiene im Schlafwagen möglich
Zu finden war er dort allerdings selten. Denn in seinen Hochzeiten war Gerd Friedrich manchmal an einem Tag in drei verschiedenen Städten – darunter so entfernte wie Kiel und Zürich. Von 365 Tagen war er 200 unterwegs. Der Zug – gerne auch im Schlafwagen – wurde sein Zuhause. „In der Bahn konnte ich immer gut arbeiten; natürlich keine ausgefeilten Entwürfe, aber grobe Skizzen, Stücke lesen, planen.“ Eine detaillierte und belastbare Planung war unverzichtbar bei mehreren Projekten parallel in verschiedenen Städten. Dabei wurde Gerd Friedrich von wechselnden Assistenten unterstützt. Manche von ihnen machten später selbst als Bühnenbildner Karriere.
Es gab viele Regisseure, mit denen Gerd Friedrich gerne und eng zusammenarbeitete. Hansgünther Heyme, Dieter Wedel, Christine Mielitz, Hansjörg Utzerath, Peter Mussbach und natürlich der Wuppertaler Jochen Zoerner-Erb. Wenn sie ihn anfragten, versuchte er, alles möglich zu machen – und wenn er dabei nur noch im Zug saß. Auch für Musikgrößen wie Konstantin Wecker, Christian Thielemann, Siegfried Köhler oder Donald Runnicles schuf Gerd Friedrich Bühnenbilder.
Wobei ihm der Begriff Bühnenbild wenig behagt. Kulissen sind für ihn gar ein Schimpfwort. „Man muss den Geschichten Raum geben, ihnen ein Leben, eine Atmosphäre geben, die das Stück trägt“, fordert er. „Man muss den Zuschauer emotional führen.“ So wie in Hölderlins Antigone, als er die Raumhöhe auf zwei Meter herabsenkte. „Das hatte eine starke emotionale Wirkung.“
Ganz offen gehe er an neue Stücke heran: „Ich lasse mich da reinfallen in so eine Handlung.“ In Gesprächen mit dem Regisseur – gerne mal bis tief in die Nacht – schäle sich langsam eine Idee heraus. Und zur Not kämpft der Bühnenbildner auch mit den Regisseuren, wenn er glaubt, dass ein Einfall zwingend ist. Etwa, wenn er 400 Kerzen für sein Bühnenbild braucht. Mehr als 300 Ausstattungen für Schauspiel, Oper, Ballett und Musical geben ihm Recht.