Schuldenatlas Tief in der Schuldenfalle

Wuppertal · Fast jeder fünfte Wuppertaler, also rund 65 000, gelten als überschuldet. Von Überschuldung spricht man, wenn ein Schuldner über seinen Verhältnissen lebt, die zu leistenden Gesamtausgaben höher als die Einnahmen sind und zur Deckung des Lebensunterhaltes weder Vermögen noch Kreditmöglichkeiten zur Verfügung stehen.

Grafik-Karte Nr. 101675, Hochformat 90 x 130 mm, "Schuldneratlas 2020", Redaktion: Loesche

Foto: dpa/dpa-infografik GmbH

Die Creditreform, führender Anbieter von Wirtschaftsinformationen, Marketingdaten und Lösungen zum Förderungsmanagement, gibt jährlich den sogenannten Schuldneratlas mit einem bundesweiten Vergleich heraus. Dieser Vergleich fällt auch 2020 für Wuppertal wenig schmeichelhaft aus. Wuppertal belegt in einem Ranking unter 401 kreisfreien Städten und Landkreisen den 396. Platz. Und da ist es nur ein schwacher Trost, dass sich die Bergische Metropole mit einer Quote von 17,73 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (18,17 Prozent) um vier Plätze leicht verbessern konnte. Im Bundesschnitt sind 9,87 Prozent der über 18-Jährigen betroffen.

Wie die Herausgeber der Studie einräumen, sind zum Stand der Auswertung am 1. Oktober 2020 die Folgen der Corona-Pandemie für die Privathaushalte noch gar nicht absehbar. Die Creditreform spricht von „der Ruhe vor dem Sturm“, da damit zu rechnen sei, dass die Auswirkungen der Krise vor allem die unteren sozialen Schichten zeitlich versetzt treffen werden. In Wuppertal leben rund 50 000 der 362 000 Einwohner in sogenannten Bedarfsgemeinschaften. Das sind Familien beziehungsweise Haushalte, die entweder über kein eigenes Einkommen verfügen oder deren Einkommen nur zum Teil für die Lebenshaltungskosten ausreicht.

Als sogenannte „Überschuldungsauslöser“ spielen Erkrankungen, Sucht und Unfälle sowie die unwirtschaftliche Haushaltsführung eine wachsende Rolle. Wichtigster Faktor sind aktuell „längerfristige Niedrigeinkommen“. Im Klartext: Wer mit einem Niedriglohn in Kurzarbeit geht, der läuft schneller Gefahr in Privatinsolvenz zu gehen als ein Durchschnittsverdiener in Kurzarbeit.

Bei den ab 50-Jährigen wächst die Zahl der Überschuldeten stark

Kurzarbeit wird von 40 Prozent der Befragten als Grund für geringere Haushaltseinkommen angegeben, gefolgt von „Verlust des Arbeitsplatzes beziehungsweise des Nebenjobs“. Auffällig ist, dass bei Menschen ab 50 Jahren die Zahl der Überschuldeten am deutlichsten wächst, während in der Altersgruppe bis 40 Jahre bundesweit ein Rückgang zu verzeichnen ist.

In Wuppertal sind die finanziellen Probleme lokal ungleich verteilt. Die Creditreform hat eine Unterteilung nach Postleitzahlen vorgenommen. Die höchste Quote der Überschuldung ist für den Stadtteil Oberbarmen mit 28,07 Prozent verzeichnet. Die niedrigste Quote wird für den Bereich Dönberg und Siebeneick mit 5,58 Prozent ausgewiesen.

Die Angaben der Creditrefom, die bis 2004 zurückreichen, belegen außerdem, dass sich die Problematik der Überschuldung über Jahre in Wuppertal und in den Quartieren verfestigt hat. Wie auch bei der Arbeitslosigkeit reihen sich entlang der Talsohle Quartiere auf, in denen die finanziellen Probleme längst zum Alltag gehören, während am Stadtrand und auf den Höhen Privatinsolvenzen - abgesehen von Krisenjahren wie 2008 bis 2010 und nun in der Coronakrise 2020 - mehr als Einzelfälle zu betrachten sind.

Die Folgen der Überschuldung sind für die Betroffenen fatal. Ohne die Tafel in Wuppertal würden viele Familien nicht über die Runden kommen. Finanzieller Mangel bedeutet aber auch Mangel an Teilhabe und sozialen Begegnungen.