In dem Moment beschließt er, sich zu rächen. So beginnt der Prolog von Trude Teiges Roman „Der Junge, der Rache schwor“ – mit einer Szene, die unter die Haut geht.
Während ihrer Lesung in der Stadtteilbibliothek Ronsdorf, organisiert von der Ronsdorfer Bücherstube, nahm die norwegische Autorin ihr Publikum mit in eine düstere Vergangenheit voller ungesagter Geschichten. Sie las auf Norwegisch, beantwortete Fragen und schuf so eine besondere Atmosphäre. Übersetzer Günther Frauenlob begleitete den Abend mit ruhiger Stimme, die jedes Wort sanft ins Deutsche trug. „Haben Sie alles verstanden oder soll ich übersetzen?“, fragte er, nachdem Teige auf Norwegisch geantwortet hatte. Einige Zuhörer nickten zögerlich, doch die meisten waren auf seine Übersetzung angewiesen. So führte Frauenlob durch den Abend, während Teige mit ihrem nordischen Charme das Publikum in ihren Bann zog.
Die Frage nach Schuld und Motiv steht im Zentrum von Teiges Romanen. Sie selbst betonte, dass es ihr weniger um die Identität des Täters geht, sondern vielmehr darum, warum das Verbrechen begangen wurde. Dabei hatte die Autorin gar nicht vor, einen Krimi zu schreiben. Als Fortführung ihrer Arbeit als Journalistin im norwegischen Fernsehen wollte sie wichtige Themen und Skandale recherchieren und in einen gesellschaftskritischen Roman verpacken – so etwa die Missbrauchsfälle in Kinderheimen. Doch dann stellte sie sich eine entscheidende Frage: Was, wenn ein Opfer sich rächt? Damit war die Idee für ihren ersten Krimi geboren – oder, wie sie schmunzelnd feststellte, das Genre hatte sie eingeholt.
Wenn es schon ein Krimi werden sollte, dann aber ohne die üblichen Klischees. Statt des oft anzutreffenden „versoffenen“ männlichen Ermittlers erschuf sie Kommissarin Kajsa Coren – eine Figur, die ihr in vielerlei Hinsicht ähnelt. Kajsa recherchiert akribisch, pendelt zwischen Beruf und Familie, hat zwei Kinder und genießt auf ihrer Terrasse gerne ein Glas Wein aus einer Kaffeetasse. Über sieben Bände hinweg stellt sie sich nicht nur komplizierten Verbrechen, sondern auch persönlichen Herausforderungen. In ihren Fällen greift Teige Themen auf, die oft tabuisiert werden: Missstände in Altenheimen, sexuelle Übergriffe in christlichen Gemeinschaften oder das Schicksal der „Deutschenmädchen“ – jener norwegischen Frauen, die während der Besatzung deutsche Soldaten liebten und nach dem Krieg ausgestoßen wurden.
„Ich nutze jede
Gelegenheit zum Schreiben“
Der Abend in der Bibliothek war weniger eine klassische Lesung als ein Gespräch – doch gerade das machte ihn so lebendig. Teige sprach offen über ihre Arbeit, ihre Inspirationen und auch über den Einfluss ihrer Familie. Ihr Mann habe sie schließlich dazu gedrängt, ihre Texte einem Verlag anzubieten: „Irgendwann gehst du endlich damit zu einem Verlag – oder du hörst auf!“, erinnerte sie sich lachend. Zum Glück entschied sie sich für den ersten Weg, und so landeten einige ihrer Romane auf der Spiegel-Bestsellerliste. Besonders erfolgreich war „Als Großmutter im Regen tanzte“. Auch wenn es nicht immer leicht war, Zeit zum Schreiben zu finden: „Ich nutzte jede Gelegenheit zum Schreiben und wenn ich Glück hatte, wurde ein Buch daraus.“
Am Ende des Abends war klar: „Der Junge, der Rache schwor“ war nur der Auftakt, um über die gesamte Krimireihe zu sprechen – und sie hat noch viele bewegende Schicksale zu erzählen. Die Reihe erscheint ab Mai in einer Neuauflage, der erste Band ist bereits erhältlich.