Offen gesagt 8000 Seelen fehlen
Wetten, dass die Internetkonzerne bis auf die letzte Ziffer genau wissen, wie viele Kunden ihnen bereits in ihr Netz gegangen sind? Wetten, dass auf einem Sparkonto die Guthaben-Zinsen für das vergangene Jahr um keinen Cent zu viel berechnet worden sind?
Im Zeitalter der Algorithmen fällt es schwer, zu glauben, dass es manche Menschen mit manchen Zahlen nicht so genau nehmen.
Ein eindrucksvolles Beispiel dafür lieferte in der vergangenen Woche aber der Landesbetrieb IT.NRW mit einer Bevölkerungsprognose für die Kreise und kreisfreien Städte in NRW. 2040 - so war zu erfahren - werde Wuppertal 361000 Einwohner haben. Das Problem an dieser Berechnung ist, dass Wuppertal schon heute mehr als 361 000 Einwohner zählt. So weist es jedenfalls die Einwohnerstatistik der Stadt Wuppertal aus. Und im Barmer Rathaus ist man sehr davon überzeugt, mit den eigenen Zahlen der tatsächlichen Einwohnerzahl deutlich näher zu kommen als das Land NRW, das eine Stichprobe beim Zensus 2012 auf die Zukunft hochgerechnet hat, während die Wuppertaler tief in ihre Meldelisten geschaut haben.
Dieser Zahlenspielerei könnte man mit wohlwollender Gleichgültigkeit begegnen, wenn die Einwohnerzahlen nicht eine immense Bedeutung für die Entwicklung einer Stadt hätten. Die Einwohnerzahl ist ein Standortfaktor. Wuppertal ist von den Einwohnern her die siebtgrößte Stadt in NRW. Wuppertal ist eine wachsende Stadt, der aufgrund der seit 2012 steigenden Bevölkerungszahlen enorme Herausforderungen ins Haus stehen. Da ist es mehr als verwunderlich, dass in den Statistiken des Landes rund 8000 Wuppertaler noch gar nicht zu existieren scheinen.
In seinem Roman „ Die toten Seelen“ hat Nikolai Gogol eindrucksvoll beschrieben, welchen Profit man aus sogenannten Karteileichen ziehen kann. Pawel Iwanowitsch Tschitschikow reist durch die Lande und „kauft“ verstorbene Leibeigene auf. Die toten Seelen existieren zwar nur auf dem Papier, öffnen ihrem Besitzer aber die Türen zu gesellschaftlichem Ansehen und zu satten Krediten. Wuppertal hat ein anderes Problem, denn seine ganz lebendigen Seelen finden beim Land NRW keine Anerkennung. Doch für sie muss die Stadt zusätzliche Spielplätze, Kita-Plätze, Grundschulen und weiterführende Schulen bauen, was bis 2028 mehr als 400 Millionen Euro kosten wird. Alle diese Wuppertaler wird es laut der Düsseldorfer Statistik erst 2040 geben.
Und so rechnet das Land zum Beispiel bei den Schlüsselzuweisungen für die Gemeindefinanzierung die paar tausend Wuppertaler erst gar nicht mit. Ein schwacher Trost ist es, dass es eine ähnliche Diskrepanz auch bei anderen Städte geben soll. Bei den Schlüsselzuweisungen schlägt jeder Wuppertaler mit rund 750 Euro pro Jahr zu Buche. Und da Wuppertal nicht nur zu den einwohnerstärksten Städten im Bundesland, sondern auch zu den finanzschwächsten zählt, wiegt der Verlust von ein paar tausend Seelen besonders schwer.
Während die Städte immer wieder einmal einen Anlauf unternehmen, um die Einwohnerzahlen von Land und Kommunen zu synchronisieren, hat sich die Politik offenbar längst damit abgefunden, dass man in Düsseldorf die Probleme der wachsenden Stadt Wuppertal auf die lange Bank schiebt. Zahlen sind geduldig. Eltern weniger, wenn sie ihre Kinder für Kita, Grundschule und weiterführende Schule anmelden wollen. Dort treffen sie auf andere Eltern, die es laut der Statistik des Landes gar nicht gibt.