Gastbeitrag A 46: 2030 steht der Verkehr in Wuppertal still
Um die Autobahn vom Stau zu befreien, müsste man sie sechsstreifig ausbauen oder die Verkehrslast um 30 Prozent reduzieren, sagt Experte Klaus Schilling.
Wuppertal. Stau und Stillstand auch 2030? Oberbürgermeister Mucke will ein Gesamtentwicklungskonzept für ein attraktives Wuppertal 2030 erstellen. Das ist sehr zu begrüßen. Kernstück muss unter anderem ein modernes integriertes Verkehrskonzept sein. Beginnen wir mit dem deprimierenden Befund von Lothar Leuschen zur einstigen Mobilitätsikone Sonnborner Kreuz: „Die Welt steht in Sonnborn“, und stellen wir uns der kritischen Frage eines am Zuzug interessierten Neubürgers an die Stadt, wie sie bis 2030 ihr Stigma als „A46-Staustadt“ zu überwinden gedenke.
Das Problem: Wuppertals A 46, einst als innerstädtische Kernstadttangente mit Entwurfsgeschwindigkeit 80 Stundenkilometer durch Sonnborns Mitte und beste nördliche Hanglagen Wuppertals zur Entlastung der verstopften Talachse getrieben und gefeiert, wird inzwischen vom Bundesverkehrsminister als Fernautobahn obersten Ranges, das heißt mit „kontinentaler Verbindungsfunktion“ eingestuft. Nach den aktuellen Richtlinien für die Anlage von Autobahnen verfügt sie mit vier Fahrspuren über eine Kapazität von täglich 70 000 Kraftfahrzeugen, stand aber schon 2010 unter durchschnittlicher Verkehrslast von 87 000 Fahrzeugen pro Tag.
Kontinentaler Transitverkehr auf innerstädtischer Bypass-Trasse lässt auch für 2030 Stillstand befürchten — selbst ohne Baustellen. Die Straßenbaubehörde des Landes, Straßen NRW, bemäntelt den Missstand so: Wuppertals A 46 habe „auf Grund ihrer Lage im Straßennetz, Schwerlastanteil und der Trassierung eine Kapazität von ca 86 400 Fahrzeugen pro Tag, bei einer Verkehrsqualität zwischen E und F“. E bedeutet mangelhaft, F heißt ungenügend (Stau).
Real organisiert diese Behörde für uns auf einer Länge von 14 Kilometer Stadtautobahn einen besonders unharmonischen Verkehrsablauf mit ständig wechselnden Tempolimits zwischen 60 und 120 Stundenkilometern und vielen Unfällen.
Binsenweisheit ist, dass die maximale Verkehrsleistung einer Straße bei gleichmäßigem Verkehrsfluss und Tempo 85 erreicht wird. Angesichts ihrer Trassenführung mit hoher Anschlussstellendichte, zweier Galerien und der Kriechspur am Katernberg wäre durchgehend Tempo 80 zudem der sicherste Betriebspunkt unserer A 46, bei einer Reduzierung von Immissionslast für Wohnbevölkerung und Umwelt.
Um die überlastete Stadtautobahn A 46 ohne Tempolimit 80 zu entstauen, müsste man sie entweder zwischen Sonnborner Kreuz und Wuppertal-Nord durchgehend sechsstreifig ausbauen oder dort eine 20- bis 30-prozentige Minderung der Verkehrslast erreichen. Da ein Ausbau wegen der historisch innerstädtischen Trassenführung entfällt, mutmaßt der von Stau, Lärm und Abgasen geplagte Bürger, die Südtangente könne/solle hier Entsatz bieten, indem sie die A(46 hinreichend vom überregionalen Transitverkehr befreie.
Das Studium der einschlägigen Planunterlagen bringt jedoch bittere Enttäuschung: Denn man findet keine seriöse Verkehrsuntersuchung, weder der Stadt noch des Landes, welche die erforderliche Entsatzkapazität der geplanten Südtangente von etwa 20 000 Fahrzeugen pro Tag nachweist. Auch existiert keine Studie über die zu erwartende Anziehung/Umleitung zusätzlichen Transitverkehrs durch Wuppertal infolge der Südtangente.
Alle bisherigen Verkehrsprognosen für Gesamtwuppertal leiden vielmehr unter überholten Modellannahmen (wie unterstelltem Bevölkerungsrückgang der Stadt, unzureichenden Verkehrszählungen, veralteten bundesweiten Bedarfsprognosen) und dem Mangel an gesamtstädtischer Perspektive bereits in der Fragestellung.
Es erscheint daher notwendig, dass im Rahmen von Muckes Konzeptfindung ein unabhängiger Gutachter einen schlüssigen Plan zur Staubeseitigung auf Wuppertals Stadtautobahnen unter den Vorgaben des aktuellen Bundesverkehrswegeplans 2030 erarbeitet. Dies wird umso dringlicher, als die infarktanfällige Metropolregion Rheinland nunmehr eine aktive Verkehrslenkung vorantreiben will, welche den zunehmenden Schwerlastverkehr im Straßennetz automatisch erfassen und verteilen soll.
Unsere Wuppertaler Stadtautobahnen sind dabei in Gefahr, auf Dauer zu Schleichwegen im Europäischen Kernnetzkorridor North Sea-Baltic Sea (um die A1) zu entwickeln. Bei alldem stellt sich natürlich die Frage, ob sie überhaupt dem kontinentalen Transitverkehr (oder prioritär den Wuppertalern) dienen können und sollen. Der angesprochene Themenbereich ist sicherlich komplex, aber — auch wegen der gewaltigen Verkehrsemissionen der A 46 - äußerst wichtig für die Lebensqualität im zukünftigen Wuppertal.
Daher möchte ich hier auf eine alte Anregung aus der Redaktion der WZ zurückkommen: Wie wär´s denn mit einem Runden Tisch, an dem sich die Bürgerschaft einbringen kann mit dem Ziel, Auswege zu finden aus dem befürchteten Szenario Stillstand 2030 in Wuppertal? Ein solches Forum, mitgetragen etwa von den Bürgervereinen im Umfeld der Stadtautobahnen, der Bergischen Universität und der WZ, könnte auch die in Lärmaktions- und Luftreinhalteplanung gesetzlich geforderte ganzheitliche Problembehandlung in Gang bringen und die dabei vorgesehene Bürgerbeteiligung mit Leben erfüllen. Es ist nie zu spät.