12. April 1999 Vor 20 Jahren: Der Tag, an dem Wuppertal stillstand
Wuppertal · Der Absturz der Schwebebahn vor 20 Jahren, der fünf Todesopfer forderte, war ein einschneidendes Ereignis für die Stadt. Wir erinnern an die Katastrophe vom 12. April 1999.
Für ein paar Augenblicke hatte es den Anschein, als sei Wuppertal eingefroren. Was sich bewegte, schien das im Zeitlupentempo zu tun. Der Schrecken stand den Menschen ins Gesicht geschrieben, gepaart mit einem Ausdruck vollständigen Unglaubens. Was da geschehen sein sollte, was gerüchteweise durch die Straßen zog, das war schier unmöglich. So etwas gibt es mit der Schwebebahn doch nicht. Doch, das hat es gegeben. Am 12. April 1999 ereignete sich etwas, das es so in der bis dahin 98-jährigen Historie dieses Verkehrsmittels nicht gegeben hatte, nicht geben konnte. Absturz. Fünf Tote. 47 Verletzte. Der 12. April 1999 hat die Geschichte der Schwebebahn und die Geschichte Wuppertals verändert.
Rückblende. Wuppertal schrieb das Jahr 1994. Der Vorstandsvorsitzende der Wuppertaler Stadtwerke hieß Prof. Hermann Zemlin. Und der amtierende Oberbürgermeister, Hans Kremendahl, hatte auch in seinem Namen zur Pressekonferenz ins Rathaus eingeladen. Es sollte um die Schwebebahn gehen. Das reicht in Wuppertal, um Journalisten zu mobilisieren. Was Kremendahl, Zemlin und ein Vertreter der NRW-Landesregierung dann allerdings verkündeten, verschlug so manchem Zuhörer den Atem. Die Schwebebahn sollte saniert werden, und zwar gründlich. Alle Stahlteilträger neu, alle Schienen neu, fast alle Bahnhöfe neu. 490 Millionen D-Mark sollte das kosten, wovon Wuppertals Stadtwerke (WSW) einen Anteil von 450 Millionen D-Mark würden übernehmen müssen. So wurde es verkündet und beschlossen.
Ein Jahr später begannen die Arbeiten, begleitet von protestierenden Denkmalschützern, die sich um die Schwebebahn sorgten. Immer begleitet auch von Schwierigkeiten, die Stahlunternehmen mit diesem besonderen, weltweit einmaligen Auftrag hatten. Eine Schwebebahn wird normalerweise nur einmal gebaut. Und wenn jeder neue Stahlträger so aussehen und so bemessen sein muss wie das Original, dann ist das eine Herausforderung. Daran sind in der 20 Jahre dauernden Umbauphase manche Unternehmen gescheitert. Und auch die Kostenplanungen ließen sich nicht halten. Aus den insgesamt 490 Millionen D-Mark sind etwa 620 Millionen Euro geworden. Die Kosten haben sich mehr als verdoppelt.
Um den 12. April 1999 waren alle Arbeiten noch in vollem Gange. Die Bahn sollte im Betrieb saniert werden. Das heißt, an Wochenenden und in den Schulferien stand sie still, außerhalb dieser Zeiten verrichtete sie ihren immer noch unverzichtbaren Dienst im öffentlichen Personen-Nahverkehr Wuppertals.
Auf der Höhe der Elba-Werke kam es zur Katastrophe
Das sollte sie auch an jenem Montag wieder tun. Die Arbeiter hatten das Gerüst gerade erst verlassen. Gegen 6 Uhr nahm die Bahn ihren Regelbetrieb wieder auf. Aus Richtung Vohwinkel kommend fuhr der schon gut besetzte Triebwagen mit etwa Tempo 50 auf den Bahnhof Robert-Daum-Platz zu. Auf Höhe der Elba-Werke kam es zur Katastrophe. Ein Arbeiter hatte es in der Eile versäumt, eine sogenannte Montagekralle vom Gerüst zu entfernen. Der Wagen fuhr ungebremst auf das Hindernis aus, sprang aus der Schiene und stürzte, kaum gebremst von einer Fernwärmeleitung, zwölf Meter tief in die Wupper. Augenblicklich alarmierten Mitarbeiter von Elba die Rettungsdienste. Aber für fünf Passagiere kam jede Hilfe zu spät. Das größte Unglück in der Geschichte des weltberühmten Verkehrsmittels war nicht mehr zu verhindern. 47 Menschen erlitten teils schwere Verletzungen, eine ganze Stadt litt mit ihnen und den Angehörigen der Todesopfer.
Einen Monat lang lag die Unglücksbahn in der Wupper, zum Teil aufgereckt, mahnend, dass perfekte Technik Schwächen hat, wenn der Mensch Fehler macht. Einen Monat lang erinnerte die abgestürzte Bahn jeden Tag an die dunkelste Stunde der Schwebebahngeschichte. Erst dann wurde sie geborgen.
Der Unfall selbst hatte ein juristisches Nachspiel. In einem Berufungsverfahren wurden verantwortliche Bauleiter zu Haftstrafen auf Bewährung verurteilt. Die Stadtwerke, nun unter der Leitung von Rolf Krumsiek, unterstützten die Verletzten und die Opfer der Angehörigen mit insgesamt 1,3 Millionen Euro.
Der Umbau ging weiter. Im Grunde ist er heute, 20 Jahre nach dem Unglück, immer noch nicht abgeschlossen. Auch wenn der letzte Stahlträger längst ausgetauscht und in die Wagenhalle Oberbarmen der letzte Niet längst eingeschlagen worden ist. Derzeit steht die Bahn wieder. Seit November vergangenen Jahres müssen die Wuppertaler und müssen Touristen auf das berühmte, verlässliche Verkehrsmitteln verzichten.
Der Umbau, die Erneuerung des Gerüstes hat unerwünschte Folgen. Erstmals fiel 2013 ein langes Stück Stromschiene vom Gerüst auf Autos und verletzte deren Fahrer. Am 13. November vorigen Jahres wiederholte sich dieser Zwischenfall, diesmal wenigstens ohne, dass ein Mensch zu Schaden gekommen wäre. Seither warten die inzwischen ebenfalls neuen, aber nicht ganz störungsfreien himmelblauen Wagen in den Hallen darauf, dass die Schwächen am Gerüst nachgebessert werden, und darauf, dass sie ihre angekündigten Vorzüge auf der Strecke beweisen können.
Für Anfang August haben die Stadtwerke versprochen, den Betrieb der Schwebebahn wieder aufzunehmen. Wenn dann endlich alles gut ist, dann kann die Schwebebahn weiter an ihrer eigenen Legende arbeiten, das – gemessen an Fahrleistung und transportierten Passagieren – mit Abstand sicherste Verkehrsmitteln der Welt zu sein – trotz des Traumas vom 12. April 1999.