Flüchtlingsrettung im Mittelmeer Achim Stein: „Ich würde es sofort wieder tun“

Achim Stein war mit der „Sea Eye“ vor der libyschen Küste. Dort rettete er Menschen aus dem Wasser und geriet ins Visier von Piraten.

Foto: Achim Stein

Wuppertal. Bei ruhiger See stechen fast täglich Boote mit flüchtenden Menschen ins Mittelmeer. Von der libyschen Küste hoffen sie, es bis nach Europa zu schaffen. Weil die Boote jedoch oft alt und in den meisten Fällen völlig überfüllt sind, geraten viele vor der Küste in Seenot — und sind auf Helfer, wie die von der „Sea Eye“ angewiesen. Der Elberfelder Arzt Achim Stein war im August einer dieser Helfer.

Die Idee kam bereits im Februar. Nachdem er erfahren hatte, dass auf dem Schiff des Regensburgers Michael Buschheuer, der „Sea Eye“, die vor Libyen auf Rettungsmission geht, Crewmitglieder gesucht werden, wollte er aktiv werden. Er bewarb sich, es klappte — für seinen diesjährigen Sommerurlaub standen im August zwei Wochen vor der libyschen Küste auf dem Programm — die WZ berichtete. Nun ist er zurück von seinem Einsatz.

„In der ersten Woche war das Wetter sehr unruhig“, erinnert er sich. Dadurch seien kaum Boote unterwegs gewesen. „Die Schlepper kalkulieren das Risiko ganz genau“, sagt der 54-Jährige. Sie wüssten, wann welche Rettungsorganisationen unterwegs seien und ob der Seegang zu stark sei, um es die knapp zwölf Meilen von der Küste weg zu schaffen — die Entfernung, ab der das libysche Hoheitsgebiet endet und die Retter aktiv werden dürfen. Ob diese dadurch der „verlängerte Arm der Schlepper“ seien, ist sich Achim Stein nicht sicher. „Man ändert ja auch nichts, dadurch, dass man nicht eingreift“, findet er.

Trotz der unruhigen See, suchten sie weiter nach Booten in Seenot. Am 17. August kam dann ein Funkruf von der italienischen Küstenwache: Ein Boot der Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ in der Nähe der „Sea Eye“ habe gerade Schüsse gemeldet. Sie seien von einem Schnellboot angegriffen und geentert worden — Piraten.

„So etwas ist bis dahin noch nie vorgekommen“, sagt Stein. Die Lage habe die Operation Sophia auf den Plan gerufen — ein Verband europäischer Kriegsschiffe, die im Einsatz sind, um die Küstenwache zu unterstützen und gegen Schleusernetzwerke vorzugehen. Die Hilfsorganisationen seien aufgerufen worden, sich zu sammeln, drei große Militärschiffe hätten die Angreifer vertrieben und die übrigen Boote bewacht. „Ich habe die Situation erst gar nicht so bedrohlich wahrgenommen. Unsere Kapitänin hat gut reagiert“, sagt er.

Nachdem die Gefahr gebannt war, hieß es: still halten. „Auch Sea Watch hat alle dazu aufgerufen, erstmal nicht rauszufahren, sondern im Schutz der Schiffe zu bleiben“, so Stein. Doch ausgerechnet an diesem Tag: ruhige See, gute Bedingungen für Schlepper. „Wir haben uns entschieden, trotzdem zu fahren.“

Mit einem Militärboot als Begleitung machte sich die „Sea Eye“ auf den Weg und näherte sich der Küste. „Wie erwartet, hatten sich drei Boote auf den Weg gemacht“, sagt Stein. Auch die Schiffe der Organisationen, die sich zurückgehalten hatten, stießen dazu. „Wir haben etwa 60 Menschen aus den Booten geholt.“ 400 bis 500 Menschen waren von der Küste aus unterwegs.

Ob Piraten oder dramatische Rettungssituationen — nichts könne den Elberfelder davon abhalten, wieder mitzufahren. „Die Crew war großartig. Wenn es die ,Sea Eye’ nächstes Jahr noch gibt, wollen wir wieder zusammen fahren“, sagt Achim Stein. Der Zusammenhalt sei eine eindrückliche Erfahrung gewesen. Er habe auf dem Schiff Freunde gefunden.

Im Blick auf die gesamte Lage habe sich seine Meinung nicht geändert. „So lange es keine europäische Lösung für diese Menschen gibt, stehe ich voll dahinter, diese Einsätze zu fahren“, sagt er.

Die Menschen, denen sie geholfen hätten, seien aus Bangladesh, Pakistan und Zentralafrika gekommen. In Libyen seien die Umstände für die Flüchtenden katastrophal — Zwangsarbeit und Misshandlungen seien hier Alltag. „Die haben so viel hinter sich, wenn sie sich in dieses Boot setzen“, sagt Stein.