Sea Eye Wuppertaler auf Rettungsmission vor Libyen

Vom Sofa aus zusehen wollte Achim Stein nicht mehr. Der Arzt fährt im August an die libysche Küste, um Flüchtlinge vor dem Ertrinken zu retten.

Foto: Hans-Peter Buschheuer/Sea Eye

Wuppertal. Die Nachrichten haben viele noch vor Augen: 2013 das große Bootsunglück vor Lampedusa, im vergangenen Herbst ein toter Junge, ertrunken an einem türkischen Strand, und auch im April gab es die Nachricht von einer Tragödie, bei der vermutlich knapp 500 Menschen, die sich aus dem libyschen Tobruk aufgemacht hatten, im Mittelmeer ertrunken sind — drei Beispiele von vielen. Doch was kann man tun, um solche Katastrophen zu verhindern? Spenden? Demonstrieren? Der Wuppertaler Allgemeinmediziner Dr. Achim Stein hat sich entschieden, selbst aktiv zu werden — und verbringt seinen nächsten Urlaub auf einem Kutter an der libyschen Küste.

Foto: Hans-Peter Buschheuer/Sea Eye

Die Idee kam Mitte Februar: In der WZ las der 54-Jährige einen Artikel über den Regensburger Michael Buschheuer, der sich im September kurzerhand entschieden hatte, selbst vor der afrikanischen Küste einzugreifen. Buschheuer kaufte sich einen Hochseefischkutter, baute ihn um und stach in See. „Die Initiative von Michael Buschheuer ist beeindruckend“, sagt Achim Stein. Beeindruckend und inspirierend, denn sie bewegte Stein dazu, selbst mitmachen zu wollen. Er meldete sich bei Sea Eye und wird nun im August selbst nach Malta fahren, wo die Rettungsaktionen starten.

Etwa alle zwei Wochen wechselt die achtköpfige Crew auf dem Kutter. Die Helfer fahren die libysche Küste ab und halten Ausschau nach Menschen, die in Not geraten sind.

An die verteilen sie Rettungsinseln und Schwimmwesten — auf den Kutter holen sie die Menschen nicht, dafür ist er zu klein. „Die Menschen sind so erst einmal vor dem Ertrinken sicher. Die Rettungsleitstelle in Rom oder die Fregatte der Bundeswehr sorgen dafür, dass sie an Land kommen“, sagt Stein. Doch an welches Land — das ist für die Flüchtenden entscheidend. „Wenn sie mehr als zwölf Seemeilen vom libyschen Festland entfernt sind, werden sie nach Italien gebracht“, sagt der Arzt. Und so weit kämen die meisten.

Die Schlepper statten die kleinen Boote vermutlich so aus, dass sie gerade in die Zone kommen, in der sie nicht nach Libyen zurückgebracht werden. Dort werden die Menschen dann auf offenem Meer ihrem Schicksal überlassen — oder Menschen wie Michael Buschheuer und Achim Stein. Ob man mit den Rettungsaktionen dieses Verhalten der Schlepper unterstütze? „Die Problematik lässt sich nur politisch lösen — nicht dadurch, dass man die Menschen dort sterben lässt“, sagt Stein.

Was den Arzt auf dem Kutter und im Wasser erwartet, weiß er noch nicht genau. Er ist selbst begeisterter Hobbysegler — daher kennt er sich auf dem Wasser gut aus. Er wird als Wachgänger im Einsatz sein — das ist die Person, die den Skipper, den Schiffsführer, unterstützt. Und auch als Arzt wird er bei der Rettungsaktion gefragt sein. Er ahnt, dass es ein Abenteuer werden könnte. „Da passieren jeden Tag dramatische Dinge“, weiß er.

Trotzdem wollte er selbst aktiv werden. „Schon als Student habe ich mich immer für das eingesetzt, was ich wichtig und richtig fand“, sagt Stein. Nun stelle er immer wieder fest, dass man Dingen wie den Schiffsunglücken vor den europäischen Küsten immer nur zusieht, vielleicht spendet aber viel zu selten „selbst in die Pötte kommt“.