Debatte um Bonobo-Affe Bili Affenexperte: „Bonobos sind nicht grundsätzlich friedfertig“

Wuppertal · Der Affenexperte Fritz Jantschke spricht im Interview über die Eigenarten der Zwergschimpansen, ihr Integrationsverhalten und ihre Fähigkeit, auch alleine zu leben.

„Das ist allein eine Frage der beteiligten Individuen“: Fritz Jantschke mit einem Schimpansen.

Foto: Fritz Jantschke

Das Schicksal des von seinen Artgenossen abgelehnten Affenmännchens Bili im Wuppertaler Zoo bewegt Tierschützer und Zoofreunde gleichermaßen. Eine Onlinepetion, die seine Verlegung fordert, hat inzwischen 285.000 Unterschriften gesammelt.

Im November ist der zehnjährige Bili von Frankfurt nach Wuppertal gebracht worden. Seither wurde der Bonobo mehrfach attackiert. Der Zoo spricht von einer Eingewöhnung mit Höhen und Tiefen. Von der Kamera seien auch schon zahlreiche positive Sozialkontakte beobachtet worden. Daneben gebe es arttypische Aggressionen. Der Zoo werde die Bemühungen zur Integration von Bili fortsetzen und ihm dabei auch weiter Auszeiten einräumen.

Der Zoologe und Affenexperte Fritz Jantschke erklärt im Gespräch mit dieser Zeitung Besonderheiten der Bonobos, will aber aus der Ferne keine Bewertung der Vorfälle in Wuppertal abgeben.

Herr Jantschke, lange galten die Bonobos aufgrund ihrer matriarchalen Gemeinschaftsstruktur als eher friedfertig. Entspricht das noch dem Stand der Forschung?

Fritz Jantschke: Bonobos sind nicht grundsätzlich friedfertig. Sie haben nur im Gegensatz zu den nahe verwandten Schimpansen die Fähigkeit entwickelt, Streit eher mit einer ganz besonderen Strategie zu entschärfen: durch Sex. Dieses Phänomen hat ihnen den ein wenig falschen Ruf eingebracht, friedfertig zu sein.

Wenn sich ein Bonobomännchen in eine neue Gruppe integrieren muss, sind Gewalttätigkeiten dabei auch in der freien Natur an der Tagesordnung?

Jantschke: Beim Integrieren eines neuen Männchens in eine Gruppe gehören Gewalttätigkeiten keinesfalls zur Tagesordnung. Sie können in der ganz natürlichen Aufregung aber schon mal vorkommen. Die Wuppertaler Gruppe ist nach dem, was ich an Filmszenen im Internet bisher gesehen habe, vor allem sehr aufgeregt. Ganz typisch ist das laute Geschrei und ein wenig Mobbing. Als gewalttätig würde ich das, was ich angeschaut habe, nicht bezeichnen.

Gibt es beim Integrationsverlauf grundsätzliche Unterschiede zwischen freier Wildbahn und Zoo?

Jantschke: Ja. In freier Natur gibt es einen solchen Eingriff überhaupt nicht. Falls ein neues Tier sich einer Gruppe nähert, wird es das ganz vorsichtig tun. Es wird sich von der Peripherie mit einigen Artgenossen anfreunden und schrittweise mit anderen Tieren bekannt werden. Ein solches Vorgehen ist leider in einem Zoogehege nicht möglich. Es sind ja nicht Lebensräume von einigen Hektar Größe, die das typische Sozialverhalten der Schimpansen wie der Bonobos ermöglichen: das Kommen und Gehen nach Belieben. Wenn aus Gründen der Blutauffrischung ein neues Männchen in die Gruppe integriert werden muss, was eine notwendige Management-Maßnahme ist, wird es zunächst einmal in einem Nachbargehege oder -käfig untergebracht. Zusammengeführt werden kann die Gruppe erst nach einer gewissen Zeitspanne des Kennenlernens. Ob die Zeit dafür in Wuppertal nicht ausreichend war oder falsch eingeschätzt wurde, ist aus der Distanz nicht zu beurteilen.

Nach welchem Zeitraum kann in der Regel abgeschätzt werden, ob eine Integration gelingt oder nicht?

Jantschke: Dafür gibt es keinerlei Maßstab. Die Integration kann in wenigen Tagen gelingen. Es kann aber auch Wochen oder Monate dauern. Das ist allein eine Frage der beteiligten Individuen, auch der für die Maßnahme zuständigen Tierpfleger.

Tierschützer fordern in einer Petition, Bili solle in das Ape Monkey Rescue Sanctury nach Großbritannien oder eine andere Einrichtung gebracht werden. Dort werden aber bisher gar keine Bonobos gepflegt. Kann ein Bonobo auch gut alleine leben?

Jantschke: Welcher andere Zoo den Bonobo aufnehmen könnte, kann nur der Zuchtbuchführer wissen und entscheiden. Die Tierschützer sind mit ihren Vorschlägen rasch bei der Hand, ohne dafür die nötigen Kenntnisse zu haben. Alleine zu leben wäre für einen Bonobo für einige Zeit möglich, aber auf Dauer sicher nicht gut.

Wenn eine Integration dauerhaft misslingt, was bleibt dann an Alternativen?

Jantschke: Da die Zucht bei vielen Zootieren immer besser gelingt, wird man bei einigen Tieren vor allem für überzählige Männer Auffangstationen einrichten müssen. Solche gibt es bereits für Elefanten und für Gorillas. Das entspricht auch den natürlichen Verhältnissen. Auch dort haben Bonobo-Männer nicht immer Anschluss an einen Familienverband, sondern leben mit Kumpels zusammen, zeitweise auch mal allein.