Drogen auf der Wuppertaler Nordbahntrasse „Alkohol ist immer noch ein großes Tabu-Thema“
Der Caritasverband, das Blaue Kreuz und weitere Kooperationspartner haben mit einem Aktionstag auf die Folgen der oft unterschätzten Droge hingewiesen.
Die Sicht wird unscharf, die Perspektive verzerrt sich und das Umfeld scheint gleich doppelt vorhanden zu sein. Was eben noch mühelos klappte – auf einer geraden Linie Fuß an Fuß setzen, dann Markierungen auf dem Boden folgen – ist jetzt eine echte Herausforderung. Es kostet große Mühe, die Balance zu halten und der kleine Parcours lässt sich nur schwankend absolvieren.
Die sogenannte „Rauschbrille“ zeigt im Selbstversuch eindrucksvoll, wie Alkohol auf den Körper und die Wahrnehmung wirkt. Durch eine spezielle Prismenfolie werden in diesem Fall 1,2 Promille simuliert. Wer das tatsächlich erreicht und sich noch hinters Steuer setzt, handelt nicht nur unverantwortlich, sondern macht sich außerdem strafbar. Dafür wären zwar schon einige Gläser zu leeren, aber bei einer feuchtfröhlichen Party geht das schneller, als man denkt.
„Dieser Wert kann bei einem 73 Kilo schweren Mann schon durch drei relativ schnell hintereinander getrunkene Halbliter Flaschen Bier erreicht werden“, erklärt Thomas Rehbein von der Fachstelle für Suchtprävention. Doch schon deutlich darunter liegt bei 0,3 Promille eine relative Fahruntüchtigkeit vor. „Wir möchten die Einschränkungen bei der Wahrnehmung durch die Simulation ganz praktisch verdeutlichen“, sagt Rehbein. Er beteiligte sich gestern zusammen mit anderen Einrichtungen und Initiativen der Suchthilfe, Suchtselbsthilfe, Jugendhilfe und Suchtprävention an einem gemeinsamen Aktionstag.
Bundesweite Aktionswoche
zum Thema Alkohol
Die Veranstaltung am Loher Bahnhof fand im Rahmen einer bundesweiten Aktionswoche zum Thema Alkohol statt. Dabei wurde mit Infoständen, Mitmachaktionen und im direkten Dialog auf die Gefahren der gesellschaftlich nach wie vor akzeptierten Droge aufmerksam gemacht. Der Standort direkt an der Nordbahntrasse war nicht zufällig gewählt. Denn auch hier kann der Konsum schwerwiegende Folgen haben. „Alkohol und Radfahren vertragen sich nicht“, betont Ina Rath von der Fachstelle für Suchtvorbeugung. Sie verweist auf das große Unfallrisiko. Vielen Nutzern der Trasse sei außerdem nicht klar, dass sie durch eine alkoholisierte Fahrt auf dem Rad ihren Führerschein riskieren. Im Mittelpunkt der Aktionswoche „Weniger ist besser“ stehen in diesem Jahr allerdings schwerpunktmäßig die Risiken des Alkoholkonsums am Arbeitsplatz. Nach Angaben der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen sei davon auszugehen, dass zehn Prozent aller Beschäftigten aus gesundheitlicher Sicht zu viel trinken.
Fatale Folgen
für Unternehmen
„Das ist immer noch ein großes Tabuthema“, sagt Gabriele Kirchner von der Suchthilfe der Caritas Wuppertal/Solingen. Aus Scham würden viele Betroffene und auch ihre Kollegen ein Suchtproblem verschweigen. Das hat auch fatale Folgen für die Wirtschaftskraft der Unternehmen. Laut Statistik der Hauptstelle fehlen Arbeitnehmer mit einer Suchtproblematik bis zu 16-mal häufiger als die Gesamtbelegschaft. Das kostet viel Geld: Durch Arbeitsausfälle, Frührente oder Rehabilitationen entstünden der Volkswirtschaft geschätzte Kosten in Höhe von rund 30 Milliarden Euro pro Jahr. Dazu addieren sich durch alkoholbedingte Unfälle am Arbeitsplatz weitere Kosten von rund neun Milliarden Euro.
Und auch im Zusammenhang mit Berufsausbildungen gelten Alkoholprobleme als die häufigste Ursache bei Fehlzeiten, Leistungseinbußen und Arbeitsunfällen im Betrieb. „Über diese und andere negative Folgen möchten wir mit dem Aktionstag aufklären“, sagt Gabriele Kirchner. Dabei sollen den Unternehmen seitens der Kooperationspartner der Suchthilfe konkrete Hilfestellungen angeboten werden. „Firmen können sich diesbezüglich jederzeit bei uns melden“, so Kirchner.