90 Jahre Wuppertal Als die Heckinghauser Straße vierspurig wurde
Der Umbau kostete Karl-Heinz Schmitz 1975 sein Elternhaus. Heute wirbt er Mittel für den Rückbau der Straße ein.
Manchmal dreht das Leben komische Runden. Wie bei Karl-Heinz Schmitz. Der ist Leiter des Zentralen Fördermanagements der Stadt und wirbt Geld ein – etwa beim Land, etwa für die Soziale Stadt Heckinghausen. Etwa für die Neuplanung der Heckinghauser Straße. Und an der ist Schmitz aufgewachsen.
Aber, und hier wird es eigentlich komisch, das Haus, in dem Schmitz aufgewachsen ist, wurde 1975 abgerissen – um die Straße zu erweitern, vierspurig zu machen, im Sinne der autogerechten Stadt. Schmitz sagt: „Das war eben ein anderer Zeitgeist.“ Denn heute wird diskutiert, die Straße wieder schmaler zu machen, für weniger Verkehr zu sorgen.
Schmitz hat mit seinen Eltern dort gewohnt, wo heute die Gustav-Müller-Anlage liegt, für die gerade erst Fördermittel vom Land zusagt wurden. Sein Vater hatte einen Bäckereibetrieb dort, war Bäckermeister. Daneben, erinnert sich Schmitz, hat es einen Tabakladen gegeben. Die Häuser stehen nicht mehr. Und auch die anderen nicht – bis zur Waldeckstraße. Die Stadt habe gut entschädigt, erinnert er sich – alles aufgekauft und abgerissen. Seine Eltern seien mit ihm schon 1968 umgezogen, als er zehn Jahre alt war. Da sei schon klar gewesen, dass die Anwohner gehen müssten.
Die Straße wurde vierspurig ausgebaut – verkehrsgerecht eben. Heute gilt sie als trennend im Bezirk. Der Umbau, der schon seit 2009 diskutiert wird, ist Zankapfel in der Politik. Die Stadt will sie je Seite einspurig führen, die CDU ist dagegen, weil sie nicht glaubt, dass der Verkehr dann fließen kann.
Früher, als Schmitz noch dort lebte, war die Straße mit Kopfsteinpflaster gepflastert. Das Straßenbahndepot war dort, wo heute Aldi steht. Die Gleise gingen direkt am Schlafzimmer der Schmitz vorbei. Damals haben die Kinder der Nachbarschaft Pfennigstücke auf die Gleise gelegt, um sie plattfahren zu lassen. „Das war damals eine gut ausgebaute Straße“, sagt Schmitz. „Ich fand die gar nicht so schmal.“ Schmitz musste sie oft überqueren: Auf der anderen Straßenseite gab es einen großen Spielplatz, mit Sandkasten und Grünfläche. Und in dem Fachwerkhaus an der Rübenstraße, das man von der Ecke Heckinghauser Straße/ Spiekerstraße aus noch sehen kann, gab es „eine Tüte Pommes für fünfzig Pfennige“, erinnert er sich.
Sonst ist nicht viel stehengeblieben, an das er sich erinnern könnte. Der Abriss der Häuser habe seinem Vater ein bisschen die Existenzgrundlage genommen, sagt er, wobei der schon im gesetzteren Alter gewesen sei. In Schmitz Erinnerung sei das nicht so schlimm gewesen. Und auch dem jungen Schmitz wurde etwas genommen – einige Fixpunkte seiner Kindheitserinnerung. Von dem, woran er sich erinnert, ist nicht mehr viel zu sehen. Was noch da ist, ist der Paketshop gegenüber, der mal Suppenküche war, daneben der Blumenladen, der Kneipe war. „Da habe ich mit meinem Vater das Spiel Deutschland-Uruguay gesehen“, das Viertelfinale der WM in England 1966. Das heutige Lazarushaus war früher das Stadtbad An der Bleiche. „Da habe ich Schwimmen gelernt“, sagt er.
Der Abriss der Straße fiel in die Zeit, als es etwa auch Überlegungen gab, die Häuser an der Luisenstraße abzureißen – um eine Entlastungsstraße für die B7 zu bauen. Künstler wehrten sich dagegen, kauften, bezogen, renovierten die Häuser, setzten den Grundstein für das Luisenviertel von heute.
Der Ausbau der Heckinghauser Straße folgte dem Flächennutzungsplan von 1967: „Der Ausbau Wuppertals zu einer verkehrsgerechten Stadt als unabdingbare Voraussetzung für eine florierende Wirtschaft und positive Stadtentwicklung“, schreibt Hinrich Heyken in der Stadtchronik. Heute muss Heckinghausen gefördert werden – das Programm Soziale Stadt läuft bis 2021. Insgesamt sollen 17 Millionen Euro in den Stadtteil fließen.