Historie Als in Wuppertal ein neues Gas-Zeitalter anbrach
Wuppertal · Vor 50 Jahren stellten die Stadtwerke den Gasbezug um – und mussten dafür bei allen Kunden die Geräte anpassen.
„Mit Erdgas in ein neues Jahrzehnt“ - so titelte der General-Anzeiger im Dezember 1969. Und erklärte den Wuppertalern, woher das Gas künftig kommen wird, das ihnen heißes Badewasser und anderen Komfort beschert. Bis an die Quelle fuhren damals Reporter Peter Joachim Schmied und Fotograf Kurt Keil: zu den Erdgasfeldern in Groningen, von denen die Stadtwerke das Erdgas künftig beziehen wollten.
„Es war eine Schweinekälte“, erinnert sich Kurt Keil. Und scherzt: „Als gelernter Gas und Wasserinstallateur und Fotograf war ich genau der richtige Mann zur Bewertung und Überprüfung des Produkts.“ Den Handwerksberuf hatte er gelernt, bevor es ihn in den Journalismus zog.
Sein Reporterkollege schrieb von Bohrtürmen am nebligen Horizont, von Kontrollfackeln, die „wie glühende Augen“ um die Förderstationen stehen, und von „mächtigen Rohrleitungen“, in denen das Erdgas in Richtung Deutschland „pfeift und rauscht“.
Die Umstellung werde die Heiztechnik revolutionieren, erklärte er den Lesern, Erdgas sei „das unkomplizierte, ungiftige Naturprodukt, in Millionen von Jahren aus Kohle und Kleinstlebewesen entstanden“. Bis dahin wurde in Wuppertal Stadtgas, auch Kokereigas genannt, verbrannt. „Das war bis in die 70er Jahre Standard“, sagt Bernd Seipenbusch, der heute bei den Stadtwerken „Leiter Betriebsführung Erdgasleitungen“ ist.
Stadtgas wird durch die Vergasung von Koks oder Kohle gewonnen, in Wuppertal sei das lange in zwei Kokereigaswerken geschehen, so Seipenbusch. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stellte man nach und nach überall auf das Naturprodukt um. Das ersparte Herstellungskosten, zudem hat es einen höheren Brennwert.
Die Wuppertaler Stadtwerke entschlossen sich in den 60er Jahren zur kompletten Umstellung. Peter Kirchner, der für die Stadtwerke die Geschichte der Gasnutzung zusammengetragen hat, schrieb: „Für Wuppertal sollte damit ein neue Gas-Zeitalter beginnen.“ Gerade hätte man in Groningen in den Niederlanden die damals weltgrößten Erdgasfelder entdeckt.
Das sollte nun nach Wuppertal fließen. Dafür mussten Leitungen und Gasbehälter ertüchtigt, andere neu gebaut werden. Der Glockengasbehälter am Loh wurde abgerissen. Es entstanden fünf neue Erdgasübernahmestationen, die Heizkraftwerke wurden umgestellt und ebenso alle Geräte in Privathaushalten.
Bernd Seipenbusch erklärt, das Gas müsse jeweils in einem bestimmten Verhältnis mit Sauerstoff gemischt werden, damit es optimal verbrennt. Weil Erdgas einen anderen Brennwert als Stadtgas hat, mussten die Düsen angepasst werden.
Wie viele das damals waren, weiß er nicht. „Mehrere zehntausend müssen es gewesen sein“, sagt er. Heute haben die Stadtwerke rund 50 000 Endkunden. Bei einigen mussten auch die Leitungen erneuert werden. Drei Jahre dauerten die Vorbereitungen. Peter Joachim Schmied schrieb: „Zur reibungslosen Umstellung benötigten die Stadtwerke 500 neue Trennschieber und fünf Kilometer neue Gasleitungen.“
Ab 1970 wurde Erdgas aus Groningen durch Wuppertaler Leitungen geschickt. In der Chronik von Peter Kirchner heißt es: „Wuppertal war damit die erste Großstadt, die in einem Zuge auf Erdgas umgestellt wurde.“
Kurt Keil erinnert sich: „Als das neue Gas in Wuppertal ins Netz lief, gab es viele Probleme, viele Gasöfen und Heizungsanlagen funktionierten nun nicht mehr. Die Gas- und Wasser-Installateure hatten eine Menge Arbeit bekommen.“
Die große Umstellung wiederholte sich in den 80er Jahren. Da stellten die Stadtwerke vom bisherigen L-Gas, „Low calorific gas“ mit einem geringeren Methangehalt und Brennwert, auf H-Gas um, High caloric gas mit höherem Brennwert, das aus der Nordsee oder aus Russland kommt. Abermals mussten die Düsen angepasst werden.
Und einigen Wuppertaler steht das noch bevor: Unter anderem im Bereich Kohlfurth kommt das Gas aus einer anderen Leitung, die immer noch L-Gas bringt. Das Vorkommen ist bald erschöpft. Die Umstellung ist für die Jahre 2025 bis 2028 geplant. Etwa 150 Kunden sind betroffen.