Null Respekt? Am Wuppertaler Busfahrer Kevin Kirsch lassen die Leute häufig ihren Frust über Verspätungen raus

Wuppertal · Allgemein hat er den Eindruck, dass der Frust bei den Menschen zugenommen hat. Ein „Dankeschön“ kommt ebenfalls immer seltener.

 WSW-Busfahrer Kevin Kirsch bleibt auch in Stresssituationen ruhig – aber gerne ist er nicht das Ziel von rüden Ansagen.

WSW-Busfahrer Kevin Kirsch bleibt auch in Stresssituationen ruhig – aber gerne ist er nicht das Ziel von rüden Ansagen.

Foto: Andreas Fischer

Niemand steht gerne im Stau. Aber für WSW-Busfahrer Kevin Kirsch ist es besonders ärgerlich, wenn sich auf der Straße nichts mehr bewegt. Nicht nur, dass er selber später in den Feierabend kommt, er weiß auch schon, wie einige Fahrgäste darauf reagieren werden, wenn er zu spät in die Haltebucht einfährt. Manche zeigen mit dem Finger auf die Uhr, andere beschweren sich lautstark. Der 26-Jährige beschreibt sich selbst als ruhigen Typ und lässt sich nicht auf Diskussionen ein. Trotzdem stresst es ihn, dass die Fahrgäste ihren Frust bei ihm ablassen. Er gibt zu bedenken: „Ich fahre ja nicht absichtlich zu langsam.“

Kevin Kirsch hat den Eindruck, dass der Frust bei den Menschen zugenommen hat, sie in der Gesamtheit gereizter reagieren. „Ich meine, das hat mit der Corona-Zeit angefangen“, erinnert sich der Fahrer. Wieso die schlechte Stimmung bis heute anhält, da ist sich Kirsch nicht so sicher. Aber er merkt, dass mehr mit ihm und seinen Kollegen diskutiert wird. Der Fahrer sei für die Gäste am Ende immer der „Prellbock“. Zum Stressabbau macht Kevin Kirsch in der Freizeit gerne Sport, um runterzukommen.

Zu ernsthaften Auseinandersetzungen komme es sehr selten. Aus dem Bus geworfen habe der 26-Jährige noch niemanden. Einmal war es kurz davor. „Da hat ein Fahrgast laut Musik gehört und damit die anderen belästigt“, erinnert sich Kirsch. Da habe er angehalten und dem zunächst uneinsichtigen Ruhestörer noch eine letzte Chance gegeben: Musik aus oder den Bus verlassen. Das wirkte dann.

Für richtig brenzlige Situationen haben die Fahrer einen Notfallknopf, mit dem sie Hilfe zu sich rufen können. Den musste Kevin Kirsch aber noch nie aktivieren. Einzelne Kollegen schon. Seit er für die Wuppertaler Stadtwerke fährt, kann er sich an zwei Vorfälle erinnern, in denen Fahrer ausgeraubt wurden. Eine absolute Ausnahmesituation, aber ein Szenario, vor dem die Belegschaft gerade bei Nachtfahrten Respekt hat.
Da ist es dann eher eine Kleinigkeit, dass auch das Fehlen von Nettigkeiten und freundlichem Umgangston auffällt. „Was mich stört: Die Leute kennen kein Dankeschön mehr“, sagt Kirsch. Das bemerke er vor allem, wenn er einem anrennenden Fahrgast noch einmal extra die Tür aufmacht – und am Ende nicht einmal ein „Danke“ hört.

Konflikte gibt es nicht nur im Bus, sondern auch auf der Straße. Die Straßenverkehrsordnung sieht es vor, dass Autofahrer Bussen, die aus einer Haltestelle ausfahren, das Einfädeln ermöglichen. Kirsch muss lachen, als er das noch einmal vorgetragen bekommt. „Also in der Realität ist das schwierig. Da geben die Autofahrer noch einmal extra Gas, wenn wir den Blinker setzen.“ Niemand wolle hinter dem Bus fahren, so die Erfahrung.

Trotz dieser stressigen Situationen mag Kevin Kirsch seinen Job. Er liebt die Abwechslung. In der Regel fahre man bei den WSW unterschiedliche Linienwege. Er persönlich als Ronsdorfer wird am liebsten auf den dortigen Routen eingeteilt. „Da trifft man dann manchmal jemanden, den man kennt.“ Zudem ist Kirsch auch in der Disposition tätig. Heißt: Er sitzt im Büro und koordiniert Fahrten und Mitarbeiter. Eigentlich wollte er in jungen Jahren eine Fußballkarriere anstreben. „Aber da merkt man irgendwann, dass es nicht reicht.“ Über seinen Vater, der langjähriger WSW-Busfahrer ist, kam er zu der Ausbildung bei dem Wuppertaler Verkehrsbetrieb.

Er hat es nicht bereut. Auch, weil es eben doch Fahrgäste gibt, die mit kleinen Aufmerksamkeiten ihre Wertschätzung ausdrücken. „Ältere legen einem schon einmal ein Bonbon oder ein Stück Schokolade hin“, sagt Kirsch mit einem Lächeln. Eine Frau sei bei den Fahrern bekannt und berüchtigt, sie gebe den Kollegen regelmäßig einen Kaffee aus und erwärmt so die Herzen der Belegschaft.

Mit einem Vorurteil will Kirsch noch aufräumen: „Es ist nicht immer die Jugend, die sich nicht benehmen kann.“ Er fahre auch Schulbusse und habe festgestellt: Das sei zwar laut, aber an sich nicht unbedingt stressiger als eine normale Fahrt. Beschwerden und raue Ansagen – die gebe es laut Kirsch eben doch häufiger von der älteren Generation.