Wuppertal Analyse: Darum müssen die Stadträte über die Seilbahn entscheiden

Die Stadtwerke haben sehr gute Argumente für das Verkehrsprojekt. Aber einiges spricht auch dagegen. Und für einen Ratsbürgerentscheid taugt es schon gar nicht.

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Wuppertal. Mehr Verfügbarkeit bei weniger Umweltbelastung und geringem Personaleinsatz. Die Wuppertaler Stadtwerke (WSW) sind sicher, dass eine Seilbahn zwischen dem Döppersberg und Küllenhahn ein rentables Projekt wäre. Wer morgens am Hauptbahnhof in einen Bus steigt und darin auf die Südhöhen fährt, der mag den WSW uneingeschränkt recht geben. Vor allem die Strecke zur Uni ist für Fahrgäste mitunter eine Tortur. Seit die Wuppertaler Hochschule in der Beliebtheitsskala offenbar zig Plätze gut gemacht hat, reichen die Busse der Stadtwerke nicht mehr aus. Mehr als 20 000 Studenten machen sich bemerkbar, wenn auch nur der geringere Teil mit Bus und Bahn zur Vorlesung kommt. Gemessen an dieser Nachfrage ist die Seilbahn wahrscheinlich ohne jeden Zweifel gerechtfertigt.

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Wenn es den Stadtwerken obendrein gelänge, durch das geplante Parkhaus auf Küllenhahn die Zahl der Einpendler nach Elberfeld aus Cronenberg und Solingen, die mit dem Auto unterwegs sind, deutlich zu senken, dann wäre die Seilbahn aus umweltpolitischen Erwägungen erst recht alternativlos. Aber ob das so käme, weiß jetzt freilich niemand. Gutachter halten es für möglich. Sicher ist das Eintreten dieser Annahme dadurch nicht. Und dennoch lohnt es sich, sachlich, fachlich über dieses Projekt zu debattieren.

Vieles spricht dafür, dass die Stadtwerke Wuppertal mit einer Seilbahn wohltun könnten, vieles spricht dafür, dass die Konsequenzen für die Bewohner der Südstadt äußerst dramatisch wären. Aus diesen Gründen spricht letztlich alles dafür, dass die Vertreter der Parteien im Stadtrat sich intensiv mit der Frage beschäftigen müssen, ob Wuppertal diese Seilbahn braucht. Diese Frage ist so schwierig zu beantworten und so folgenschwer, dass die 66 Stadträte und der Oberbürgermeister sie nicht aus der Hand geben dürfen.

Bei einem Ratsbürgerentscheid würden die gewählten Politiker die Entscheidung an die Bürger übertragen, obwohl sie aus der Bürgerschaft keine Initiative oder Gruppierung dazu aufgefordert hat. Gerade weil in diesem Fall das Interesse der Allgemeinheit gegen die Interessen einzelner Bewohner abgewogen werden muss, eignet sich das Seilbahn-Projekt nicht für den Ratsbürgerentscheid. Es geht auch nicht darum, durch den Ratsbürgerentscheid eine Stadt zu befrieden, die sich in der Seilbahnfrage in zwei Lager geteilt hätte. Der Rat darf sich daher nicht aus der Verantwortung stehlen.

Wobei die Abwägung des Für und Wider sehr komplex ist. Neben den bekannten Faktoren zur Seilbahn müssen bei der Entscheidung Entwicklungen zukünftiger Mobilität bedacht werden, die Vordenker der Automobilindustrie und Digitalenthusiasten wie Jörg Heynkes vorhersagen. Der Geschäftsführer der Villa Media und Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer und ehemalige unabhängige Kandidat für die Landtagswahl Mai ist als einstiger Seilbahnbefürworter ziemlich schnell auf standhafte Ablehnung umgeschwenkt. Sein Urteil zur Seilbahn lautet: sinnlos.

Dafür hat er Gründe und für diese Gründe namhafte Zeugen. Der Volkswagenkonzern kaufte jüngst bei Apple ein, allerdings kein Ipad, sondern einen IT-Experten. Johann Jungwirth soll die Wolfsburger auf digital trimmen. Und was er den Ingenieuren verkündet, hat mit Autos bauen nicht mehr viel zu tun. Warum nicht? Weil nicht mehr so viele Autos gebaut werden. Jungwirth ist ein Prophet der sogenannten Schwarmmobilität. Er will den Konzern vom Autobauer zum Mobilitätsanbieter umfunktionieren. Jörg Heynkes hat er überzeugt, einige Kollegen in der Vorstandsetage auch. Sedric ist der Beweis dafür. Der Prototyp eines E-Autos ohne Fahrer und ohne Pedalerie ist der Beweis, dass VW und Jungwirth es ernst meinen. Und es ist Wasser auf die Mühlen von Heynkes, der mit einem Vortrag durch Deutschland tourt, in dem er darlegt, was sich in den nächsten 520 Wochen alles ereignen wird — zum Beispiel der Anfang vom Ende des automobilen Zeitalters. „Google ist sehr weit. Deren führerlose Autos sind schon drei Millionen Meilen unterwegs gewesen. Und nur alle 5000 Meilen musste ein Mensch eingreifen, um etwas zu korrigieren“, erklärt Heynkes.

Die Folgen dieser Erkenntnis sind für den Unternehmer revolutionär. Nach seinen Angaben rechnen Fachleute damit, dass die Zahl der Unfälle um 90 Prozent zurückgeht. Das bedeutet weniger Tote, weniger Verletzte — weniger Krankenhäuser, weniger Ärzte, um nur ein paar wenige Auswirkungen zu nennen.

Und Schwarmmobilität bedeutet, dass der reinen Lehre nach statt knapp 200 000 Autos nur noch 20 000 bis 30 000 Fahrzeuge über Wuppertals Straßen fahren, lautlos, weil elektrobetrieben, fahrerlos, weil Computer diese Arbeit übernehmen. „Das wird kommen. Sie werden per Handy ihr Auto bestellen, es bringt sie, wohin sie wollen, und fährt dann wieder weg. Das wird so kommen. Die Frage ist, ob in fünf oder zehn Jahren, aber es wird kommen“, sagt Heynkes. Und dann sei entscheidend, ob Google oder VW diese Mobilität gegen Geld organisierten. „Mir wäre am liebsten, es wären die Wuppertaler Stadtwerke“, sagt Heynkes. Vieles spricht dafür, dass Heynkes mit seinen Vorahnungen nicht vollends falsch liegt.