Analyse: Die CDU spielt nicht mehr die erste Geige

Wie geht’s nach der Spaltung der Fraktion weiter? Können zwei inhaltlich identische Fraktionen im Stadtrat Politik für den Bürger machen? Die Christdemokraten erleiden einen herben Machtverlust.

Wuppertal. Die geschwächte CDU-Fraktion wird im Wuppertaler Rat nicht mehr die erste Geige spielen. Die Sozialdemokraten stellen nun die stärkste Fraktion, und dieser schmerzliche Machtverlust ist nur eine Auswirkung der nicht gerade geräuschlosen Spaltung der CDU-Fraktion.

Die Christdemokraten werden sich fragen lassen müssen, ob es nicht im Vorfeld möglich gewesen wäre, diesen imageschädigenden Streit zu verhindern — auch um den Preis, sich von der ein oder anderen Führungsperson zu trennen.

Für derlei Überlegungen ist es nun jedoch zu spät: Der CDU-Vorsitzende Jürgen Hardt versucht nun, ein Feuer zu löschen, dessen Entfachen er hätte verhindern müssen. Hardt wird mit seiner Mission, die Kombattanten zu versöhnen, scheitern. Dann bleibt ihm nicht anderes übrig, als den Parteiausschluss der neun „Abtrünnigen“ zu betreiben. Hardt weiß ganz genau, dass es nicht funktionieren kann, wenn zwei Fraktionen im Stadtrat aus Mitgliedern der Christdemokraten bestehen.

Zudem stellt sich die Frage, ob ein solches Vorgehen von der Gemeindeordnung gedeckt ist. Man stelle sich vor, die SPD-Fraktion würde sich nun ebenfalls spalten. Für eine Fraktion braucht es drei Mitglieder, die SPD könnte also diverse Fraktionen bilden — jeweils mit einem Vorsitzenden und einer eigens zugewiesenen Redezeit. Das klingt — zugegeben — bizarr, wäre aber durchaus möglich. Weshalb sollten die anderen Fraktionen im Stadtrat akzeptieren, dass nun zwei Fraktionen in ihren Reden die CDU-Positionen verkünden?

Folgerichtig hat Jürgen Hardt ein ganz erhebliches Problem: Er muss in den Stadtteilen verwurzelte CDU-Politiker aus der Partei werfen lassen. Selbst wenn er das über den Landesverband und ein Parteigerichtsverfahren macht — das wird die Substanz der Wuppertaler CDU erheblich schwächen. Hardt muss aufpassen, dass er nicht selbst zum Sündenbock wird; schon sprechen die Ersten hinter vorgehaltener Hand von „Führungsschwäche“ oder fragen „Wo war Jürgen Hardt?“, wohl wissend, dass der Bundestagsabgeordnete einen großen Teil seiner Zeit im fernen Berlin verbringt.

Bei diesem Streit, und das ist sicher, gibt es nur Verlierer. Das ist auch der Grund, weshalb Oberbürgermeister Peter Jung (CDU), unauffällig wie selten agiert. Er handelt nach der Devise: Bloß nicht in diesen Strudel geraten. Jungs feines politisches Gespür zwingt ihn förmlich dazu, Abstand zu den Kontrahenten zu halten. Das geht so lange gut, bis ihn eine der beiden Parteien zwingt, sich zu bekennen. Mit der vollmundigen Ansage, man trage die CDU-Politik auch weiterhin mit und wolle keinesfalls den Oberbürgermeister beschädigen, bedient sich die neue Fraktion Christlich Demokratischer Bürger einer ziemlich plumpen Umarmungstechnik. So schlicht lässt sich Peter Jung nicht aus der Reserve locken, da müssen Fraktionsvorsitzende Dorothee Glauner und ihr Stellvertreter Karl-Friedrich Kühme schon energischer intervenieren, um vom Oberbürgermeister eine eindeutige Positionsbestimmung zu erhalten.

Bleibt die Frage offen, warum so viele CDU-Fraktionsmitglieder weiterhin Bernhard Simon die Treue halten, obwohl dessen Führungsstil schon seit geraumer Zeit zu Diskussionen führt. „Macht und Geld“ sieht Simon als Antriebsfeder bei den neun Abtrünnigen. Aber: Wurden nicht bereits an Ostern Posten in der CDU-Fraktion an diejenigen versprochen, die ihm die Treue halten? Wurde diese Treue nicht mit schriftlichen Stellungnahmen kurz vor der Fraktions-Sondersitzung am Montag verbindlich eingefordert — kurz vor einer geheimen Wahl?
Gab es nicht bereits im Herbst 2010 einen Plan, nach dem Simon den Fraktionsvorsitz hätte aufgeben sollen? Wer hat diesen Plan torpediert? Warum wurde Schatzmeister Dirk Jaschinsky die Einsicht in die Belege erst einmal verweigert?

Diese Fragen kann nur Bernhard Simon beantworten. Insider gehen davon aus, dass der Faktionsvorsitzende ganz einfach nicht daran geglaubt hat, dass neun Mitglieder die CDU-Fraktion verlassen. Mit seinem Versuch, Bürgermeisterin Silvia Kaut und Ex-CDU-Fraktionsschatzmeister Dirk Jaschinsky aus der Fraktion zu entfernen, hat er die Fraktion förmlich zerrissen. Simon hat die Unzufriedenheit mit seiner Person und seiner Amtsführung vollkommen unterschätzt. Neun Abweichler schienen ihm undenkbar, sind aber Realität. Wenn er jetzt noch einen Fehler macht, wird er sich nur schwer in seinem Amt halten können..