Parallele zum Fall Dominik Brunner? Rentner nach „Gucci-Gang“-Attacke in Wuppertal teilweise gelähmt - Anwalt kritisiert lasche Anklage
Wuppertal · Der Anwalt des schwerverletzten Rentners hält die Einstufung als gefährliche und nicht schwere Körperverletzung nach dem Angriff potentieller Mitglieder der Gucci-Gang in Wuppertal für falsch. Er zieht Parallelen zu dem berühmten Fall Dominik Brunner.
Der Angriff auf einen 70-jährigen Rentner an der Heckinghauser Straße durch zwei 14-Jährige am 21. Mai hat die Stadt schockiert. Jetzt wirft Carsten Rebber, Anwalt der Familie, der Staatsanwaltschaft vor, die Tat falsch einzustufen. Er zieht eine Parallele zu der tödlichen Attacke auf Dominik Brunner in München, ein Fall, der vor zehn Jahren bundesweit Schlagzeilen machte.
Zu der Auseinandersetzung in Wuppertal kam es, als der Rentner eine Gruppe Jugendlicher aus dem Flur des Mietshauses an der Heckinghauser Straße vertreiben wollte. Laut Anklage sollen die beiden 14-Jährigen den Mann attackiert, einer ihn sogar angesprungen haben. Dadurch sei der 70-Jährige unter anderem mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen. Die Jungen und ihre Begleiter sollen zu der Gucci-Gang genannten Bande von Jugendlichen gehören, die seit mehr als anderthalb Jahren durch Straftaten in Wuppertal auffällt.
Nach der Attacke lag der Rentner einige Zeit im Koma, es bestand Lebensgefahr. Die ist inzwischen vorüber, aber nach Angaben von Carsten Rebber ist der 70-Jährige teilweise gelähmt, auf einem Auge blind und er kann nicht mehr sprechen. Ursache sind, so sagt Carsten Rebber, Blutungen im Gehirn.
„Wir können nur anklagen, was wir beweisen können.“
Die Staatsanwalt hat kürzlich die Anklage dem Amtsgericht zugestellt. Der Vorwurf darin lautet „gefährliche Körperverletzung“, und nicht, wie zunächst erwartet „schwere Körperverletzung“. Als schwer gilt eine Körperverletzung, wenn das Opfer durch sie schwere Folgen erleidet, etwa erblindet, gelähmt ist oder nicht mehr sprechen kann.
Doch ein medizinisches Gutachten für die Staatsanwaltschaft führt dazu, dass diese nur den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung erhebt. „Die Blutungen könnten auch durch etwas anderes verursacht sein“, erläutert Wolf-Tilman Baumert, Sprecher der Staatsanwaltschaft. „Wir können nur anklagen, was wir auch beweisen können.“
Carsten Rebber findet das nicht haltbar. Und führt den Fall Dominik Brunner an. Vor fast genau zehn Jahren wurde der 50-Jährige an einem Münchener S-Bahnhof auch von Jugendlichen attackiert, starb kurz danach an einem Herzstillstand. Der Haupttäter sei wegen Mordes verurteilt worden. „Das Gericht sah einen Zusammenhang zwischen Tat und Folgen“, erläutert Rebber. Der Bundesgerichtshof habe das Urteil bestätigt. Angreifer müssten damit rechnen, dass ihr Opfer auch Vorerkrankungen hat. Im Fall des Rentners sei das Bluthochdruck.
Rebber will den zuständigen Richter noch offiziell auf den Fall Dominik Brunner und die Parallele zum Fall des Rentners hinweisen. Der Richter könnte die Anklage gegebenenfalls an die Staatsanwalt zurückschicken.
Der Anwalt will nicht nur eine gerechte Strafe für die Täter, sondern sieht auch das Opfer und dessen Familie benachteiligt. Denn beim Vorwurf „gefährliche Körperverletzung“ kann kein Nebenklageanwalt im Prozess die Rechte des Opfers vertreten. Das ist bei Prozessen gegen Jugendliche erst bei Tatbeständen möglich, die als Verbrechen gelten – wie eine „schwere Körperverletzung“.
Rebber kritisiert, die Staatsanwaltschaft hätte ihn schon während der Ermittlungen als Nebenklageanwalt beiordnen müssen, dann hätte er versucht, die aus seiner Sicht falsche Einstufung zu verhindern. Oberstaatsanwalt Baumert widerspricht: Nebenklageanwälte könnten erst bei Erhebung der Anklage beigeordnet werden.