Auryn Quartett elektrisiert Zuhörer

Das Streichquartett schließt das Passionswochenende mit drei Konzerten in der Reihe Saitenspiel gebührend ab.

Foto: Andreas Fischer

Fraglos gehört das Auryn Quartett weltweit zu den Top Zehn der Streichquartette, wenn es sich nicht sogar unter den Top Fünf befindet. Ihm oblag es, im Mendelssohn Saal der Stadthalle das Passionswochenende mit drei Konzerten der Reihe „Saitenspiel“ gebührend abzuschließen. Soll, darf, muss Musik von Texten unterbrochen werden? In der Regel ist die Antwort ein klares nein, weil die Gefahr besteht, dass der musikalische Fluss und Spannungen ad absurdum geführt werden. Doch es gibt wenige Ausnahmen. Wenn Sprache und Töne in einen schlüssigen Kontext gebracht werden, kann die Kombination funktionieren.

Ein solches Beispiel ist Joseph Haydns Streichquartettfassung „Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze“ op. 51 (Hob III:50-56). Kein geringerer als der große Rhetoriker Walter Jens verfasste dazu meditative Texte. Der Komponist hätte bestimmt nicht dagegen gehabt. Denn er konzipierte das Werk für die Kirche. Und vor jedem der sieben Sonatas stellte er sich einen kurzen Vortag oder eine Predigt vor. Jens entsprach also Haydns Intention.

Übrigens ist eine CD davon mit dem Auryn Quartett und Jens auf dem Markt erhältlich (erschienen 1999 bei Tacet Musikproduktion). Sie und die anderen Streichquartetteinspielungen Haydns bekamen zu Recht 2011 den Preis der deutschen Schallplattenkritik. Da Jens bekanntlich 2013 starb, fehlt im Konzertleben seine einzigartige Rezitationskunst.

Stattdessen verlasen an diesem Abend sieben Jugendliche des „Jungen Apollo“ (JAp) in Siegen den Text, aber nicht einfach so. Sich auf, vor und neben der Bühne bewegend (Texteinrichtung und Regie: Werner Hahn), teilten sie die Sätze und Worte unter sich auf.

Mit klarer und selbst im hinteren Winkel des Auditoriums verständlicher Aussprache deklamierten sie die bestürzenden aktuellen Bezüge der Bibelworte, die Jens herstellte. Die Schrecken während der Nazizeit wurden glasklar vor Augen geführt, wenn etwa während des zweiten Worts „Wahrlich, ich sage dir, …“ vom Gas die Rede ist und auch beim Fünften „Ich dürste“ die Begriffe Vergasung und Ofen fallen.

Dazu machten Primgeiger Matthias Lingenfelder, Jens Oppermann an der zweiten Geige, Bratschist Stewart Eaton und Cellist Andreas Arndt ihrem herausragenden Ruf alle Ehre. Jedes Instrument „sang“. Fein abgestufte Phrasierungen und wohl durchdachter Klangsinn führten zu dramatischen großen Spannungsbögen. Die elegante Herausarbeitung von Haupt- und Nebenstimmen, zarttragende Pizzicati, die Zurücknahme ins Kontemplative wie die kultiviertexpressiven Momente waren wesentliche Merkmale ihrer andachtsvollen Haltung zu dieser Passionsmusik.

Rund 80 Minuten lang lauschten die Besucher gefesselt der großartigen Rezitationskunst und den intensiven, packenden Musikinterpretationen. Der Bann löste sich erst allmählich, als der letzte Ton des finalen gewaltigen musikalischen Erdbebens („Terremoto“) verklungen war. Auch nicht leicht verständliche Musik verstand das Auryn Quartett elektrisierend zu vermitteln. Die vielfältigen Strukturen und Klänge in Sofia Gubaidulinas „Reflections On The Theme B-A-C-H“ aus dem Jahr 2002 arbeitete es zu Beginn des grandiosen Abends nuanciert und hochmusikantisch heraus. Lang anhaltender Schlussapplaus war der verdiente Dank für einen umwerfenden Abend. Den leider nur wenigen Zuhörern wird das Konzert wohl nachhaltig in Erinnerung bleiben.