Konzert Außergewöhnlicher Musikabend im Ort

Quartett um Sebastian Gramss zieht das Publikum in seinen Bann.

Sebastian Gramss musste auf seine erkrankte Partnerin Sofia Jernberg verzichten, blieb aber nicht allein.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Eigentlich sollten bei einem Duo zwei Interpreten auf der Bühne stehen, im „Ort“ an der Luisenstraße fehlt eine. Sängerin Sofia Jernberg war erkrankt und konnte daher ihren Part bei dem Auftritt von „So Seet“ nicht erfüllen. Einerseits schade, dennoch wurde den Besuchern des Konzerts ein toller Ersatz geboten und Sebastian Gramss blieb nicht alleine auf der Bühne.

Aus dem Duo wurde ein Quartett. Zwei Ensemblemitglieder von Partita Radicale sprangen spontan ein, Gunda Gottschalk (Violine) und Ute Völker (Akkordeon) ergänzt durch Christoph Irmer (Violine). Der „Ort“ war die passende Bühne, sind doch die Musiker mit Peter Kowald durch gemeinsame Auftritte verbunden.

Sebastian Gramss erinnerte an den großen Kontrabassisten, der 1994 beschloss, ein ganzes Jahr an einem Ort zu bleiben, nicht weiter durch die Welt zu reisen. Mit seinem Rad fuhr er durch das Viertel, das Instrument auf dem Rücken. Er machte den „Ort“ zum Zentrum improvisierender Musiker. Ohne vorgegebene Formen wurden Grenzen erweitert, entstand Neues.

So auch diesmal. Ein Mann mit seinem Kontrabass auf der Bühne. Gramss eröffnete mit einem Solostück. Er zupfte die Saiten, strich, klopfte auf das Instrument und holte Töne hervor, die jede spannungsgeladene Szene in einem Thriller untermalen könnte. Immer im Einsatz die Finger, sie strichen über die Saiten, quetschten sie, Gramss summt, spielt mit zwei Bögen, schüttelt den Bass, geht in seinem Spieleinsatz fast rau mit ihm um und hält mit seiner immensen klanglichen Vielfalt einen konstanten Spannungsbogen.

In einen musikalischen Dialog trat er dann mit Christoph Irmer: Zuhören, anhören, die Musik des anderen spüren, beide sind hochkonzentriert, um ihre Klänge hervorzuholen. Mal erklingt die Geige von Irmer wie Vogelgezwitscher, dann klopft auch er mit seinem Bogen auf den Corpus, streicht wie wütend über die Saiten am Geigenhals und es klingt, als würden sie zersägt.

Aus dem Duo wird ein Trio, Gunda Gottschalk ergänzt. Sie übernimmt oft den „weicheren“ Part der Improvisation, Irmer haut mit dem Geigenbogen durch die Luft, ein Hauch von einem Laut. Völkers Akkordeon kommt zum Einsatz, es heult und jault. Gottschalk, gurrt, summt, spuckt Fantasielaute in die Vielfalt der Töne, das noch Ungehörte wird erahnt und musikalisch interpretiert.

Die Besucher hören gebannt zu und finden im „Ort“ immer wieder einen Ort für außergewöhnliche und anspruchsvolle Musikabende.