Mit Podcast Automobilindustrie in Wuppertal: „Wir brauchen härtere politische Debatten“

Wuppertal · Im Wendepunkte-Podcast spricht Stephan A. Vogelskamp darüber, ob die Umweltziele im Verkehrssektor noch erreichbar sind.

Stephan A. Vogelskamp spricht über die Automobilindustrie. 

Foto: Christian Beier Katternberger Straße 171a 42655 Solingen/Christian Beier

Das Bergische Land ist Automotive-Land. Viele Unternehmen haben ein gesteigertes Interesse an der Automobilindustrie, da sie direkte oder indirekte Zulieferer sind. Kaum ein Auto auf der Welt fährt ohne Teile aus dem Bergischen Land. Stephan A. Vogelskamp ist Geschäftsführer der Bergischen Struktur- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft (BSW) und des Branchenverbands Automotiveland.nrw. Im Podcast der Wuppertaler Wendepunkte hat er mit WZ-Chefredakteur Lothar Leuschen über die Zukunft die Mobilität im Allgemeinen und die Lage der Autoindustrie an der Wupper im Konkreten gesprochen.

 Die Lage der Unternehmen in Wuppertal beurteilt Vogelskamp als „orientierungslos“. Wie viele Betriebe in Deutschland und Europa seien auch die Unternehmen hier durch die Veränderungen, die der Ukrainekrieg mit sich gebracht hat, vor viele Fragen gestellt worden. Das beginnt beim Thema Lieferketten, über die Energieversorgung und endet beim Thema Fachkräftemangel. „Die Führungskräfte in den Unternehmen haben so viele strategische Baustellen und so viele Fragezeichen im Gesicht. Dadurch wird die gesamte Lage im Bergischen Städtedreieck volatil“, so der BSW-Chef.

Mit 1,4 Milliarden Menschen und 25 Millionen verkauften Fahrzeugen im Jahr ist auch China ein bedeutender Markt für die hiesigen Unternehmen. Dass über die Zusammenarbeit mit China bisweilen eher die Nase gerümpft wird, lässt Vogelskamp nicht durchgehen. „Wir stehen zu unseren Partnern in China. Im Bereich der Automobilindustrie ist China ein dermaßen dominanter Markt, den kann man nicht einfach kompensieren. Indien verkauft etwa drei Millionen Autos pro Jahr, der südostasiatische Markt auch noch einmal drei Millionen, gegenüber 25 Millionen in China. Da merkt man schnell, dass man nicht einfach ausweichen kann. Wir müssen also einen Weg finden, wie wir damit umgehen. Es wäre sehr naiv zu glauben, dass wir das einfach abbrechen können“, sagt Vogelskamp. Hinzukommt, dass China in der technologischen Entwicklung, ein rasantes Tempo vorgibt. Wer sich von China trennt, würde sich auch davon trennen. Und das würde Europa in seiner Kompetenz zurückwerfen.

„Birgt das nicht auch die Chance, Kompetenzen wieder zurückzuholen?“, fragt hingegen WZ-Chefredakteur Lothar Leuschen. „Die Restrukturierung der Lieferketten ist natürlich eine brennende Aufgabe. Wir müssen schauen: Welche Komponenten sind so kritisch, dass wir Produktionen in Euro brauchen? Das Thema Halbleiter wäre da ein Beispiel. Aber viele andere Dinge, machen einfach keinen Sinn“, sagt Stephan A. Vogelskamp. Automotiveland.NRW begleitet die Unternehmen nichtsdestotrotz dabei, Substitutionsmärkte, außerhalb der Automobilindustrie, zu erschließen.

Elektromobilität bleibt
ein großes Thema

Großes Thema der Automobilindustrie und damit auch der Zulieferer aus dem Bergischen ist und bleibt die Elektromobilität. 15 Millionen entsprechende Fahrzeuge für 2030 lautet das Ziel der Bundesregierung. Dass das auch tatsächlich erreicht wird, sieht Vogelskamp hingegen nicht: „Wir fahren die Förderung für E-Fahrzeuge zurück, wir haben ein Lieferkettenproblem, wir haben die Inflation und mit der Energiekrise kam der Rückgang des Kostenvorteils. Wie soll bei den Verbrauchern, trotz der verschlechterten Rahmenbedingungen, der Wunsch nach solchen Fahrzeugen geweckt werden?“ Unstrittig ist auch für ihn, dass der Wandel in der Mobilität erreicht werden muss, um die Klimaziele zu erreichen. „Aber, die Kompensationsziele für die CO2-Zielerreichung im Verkehrssektor braucht eine Basisstruktur. Die ist nicht erkennbar. Wir müssten unsere Reduktion vervierzehnfachen, um unsere Ziele im Verkehrssektor zu erreichen.“

Der Vorteil der Zulieferer im Bergischen Städtedreieck ist, dass die von ihnen gefertigten Produkte selten etwas mit der Antriebstechnik zu tun haben. Vielmehr werden Kabellagen, Interieur- und Exterieurteile gefertigt. Dennoch brauchen auch die Bergischen Unternehmen Klarheit, wo die Ziele in Zukunft liegen werden. Die Bundesregierung hält an ihren Fahrzeugen fest und beteuert, dass die Infrastruktur ausgebaut werden soll. Fachkräftemangel und Lieferschwierigkeiten stehen diesem Vorhaben jedoch im Wege. „Wir machen uns vor, dass wir auf dem richtigen Weg sind, sind es aber nicht. Wir brauchen härtere politische Debatten und Aufräumaktionen im regulatorischen Rahmen, zum Beispiel bei den Genehmigungsverfahren“, fordert Vogelskamp.