Mehr Geld für ÖPNV aus Haushaltsentwurf gestrichen Die Bahnhöfe und Haltestellen in Wuppertal sind in einem schlechten Zustand

Wuppertal · Seit Einführung des 9-Euro-Tickets gibt es mehr Fahrgäste im öffentlichen Nahverkehr, sagen Wuppertaler Stadtwerke und der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr – die in Wuppertal an Bahnhöfen und Haltestellen zusteigen, von denen viele in einem schlechten Zustand sind.

Der Fahrgastverband Pro Bahn kritisiert den Zustand der Bahnsteige und Dächer am Wuppertaler Hauptbahnhof.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) stuft die Bahnhöfe in seinem jährlichen Stationsbericht in vier Kategorien ein: ausgezeichnet, ordentlich, entwicklungsbedürftig und nicht tolerierbar. Von den elf Wuppertaler Bahnhöfen gilt im aktuellsten Bericht für das Jahr 2021 einer als ausgezeichnet (Hahnenfurth/Düssel), sechs gelten als ordentlich (Hauptbahnhof, Zoologischer Garten, Oberbarmen, Sonnborn, Unterbarmen und Vohwinkel) und vier gelten als entwicklungsbedürftig (Barmen, Langerfeld, Ronsdorf, Steinbeck). Die Fahrgastinformation sei in allen Bahnhöfen hervorragend, die Aufenthaltsqualität sei besonders am Hauptbahnhof, am Zoo, in Ronsdorf und Unterbarmen verbesserungswürdig. Sehr hohen Handlungsbedarf gebe es an mehreren Bahnhöfen beim Thema Barrierefreiheit. In einem anderen VRR-Bericht landet Wuppertal im Städtevergleich weit abgeschlagen auf dem letzten Platz, neun Prozent der Haltestellen gelten als barrierefrei, Spitzenreiter ist Oberhausen mit 94 Prozent, im Durchschnitt der kreisfreien Städte sind es 37 Prozent.

Fahrgäste loben in Bewertungen im Internet vor allem die Umstiegsmöglichkeiten, kritisieren aber die Optik und Sauberkeit: „sehr dreckig, düster und nicht schön“, „hier muss modernisiert werden“. Bei Google geben Internetnutzer dem Hauptbahnhof im Durchschnitt 3,4 von 5 Sternen, dem Barmer Bahnhof 3,5 Sterne und dem Oberbarmer Bahnhof 3,3 Sterne.

Insbesondere den Hauptbahnhof kritisiert Axel Sindram, Vorsitzender des Fahrgastverbands Pro Bahn im Bergischen Land. Er werde bei Jahreshauptversammlungen als abschreckendes Beispiel gezeigt. „Wir haben den Eindruck, dass die Bahn die angekündigten Arbeiten mehr oder weniger abgebrochen hat. Es gibt kein Konzept gegen die Tauben, an den Gleisen 1, 2 und 3 passiert gar nichts, und die Dächer gammeln vor sich hin.“ Der Oberbarmer Bahnhof sei jedoch besser als sein Ruf.

Mehr Geld für ÖPNV-Ausbau aus dem Haushaltsentwurf gestrichen

Für das historische Bahngebäude Döppersberg und die Gleise ist die Deutsche Bahn zuständig. Sie hat sich nicht zum aktuellen Stand der Planungen geäußert. Es gebe zur Sanierung Verabredungen, sagt der Wuppertaler Verkehrsdezernent Frank Meyer. Vor zwei Jahren sei ein Investor gefunden worden, aber scheinbar gebe es Probleme, einen Vertrag zu schließen. Die Stadt sei immer wieder im Gespräch mit der Bahn. „Wenn man sich den Zustand vieler Bahnhöfe in anderen Städten anschaut, kann man schon ins Grübeln verfallen, warum es in Wuppertal so aussieht wie vor 30 Jahre, und sich fragen, welchen Stellenwert die Stadt bei der Bahn genießt.“

Bei den Bushaltestellen ist das größte Problem fehlende Barrierefreiheit. Im vergangenen Jahr wurde ein gutachterlich unterstütztes Konzept veröffentlicht. Von den 1317 Haltestellen im Stadtgebiet wird keine als vollständig barrierefrei eingestuft. Mit den vorhandenen finanziellen Mitteln könne nur eine einstellige Anzahl pro Jahr umgebaut werden, im ganzen Stadtgebiet würde der Umbau in der jetzigen Geschwindigkeit mehrere Hundert Jahre dauern. „Da muss sich dringend etwas tun“, sagt Frank Meyer. Laut Gesetz sollten Kommunen bis Anfang 2022 eine vollständige Barrierefreiheit im öffentlichen Nahverkehr erreichen. Es handele sich um ein Planungserfordernis, so die Stadt, es bestehe kein Anspruch auf Umsetzung konkreter Maßnahmen zu einem bestimmten Zeitpunkt.

Die Stadtverwaltung wollte im nächsten Haushalt ursprünglich mehr Geld für den öffentlichen Nahverkehr einplanen als zuvor: jährliche zusätzlich 75 600 bis 80 300 Euro für Personal, das die Planung des Ausbaus und damit den Schritt in Richtung Mobilitätswende unterstützt, außerdem jährlich 200 000 Euro für den barrierefreien Umbau von Haltestellen, um die Mobilität für jeden zugänglich zu machen. Dieses Geld wurde aber wieder aus dem Entwurf gestrichen, als der Haushalt immer enger wurde. Die Entscheidung trifft letztlich nicht die Verwaltung, sondern der Stadtrat.

„Beim Thema ÖPNV sind wir ganz dünn aufgestellt“, sagt Frank Meyer“, zum Beispiel im Vergleich zur Nachbarstadt Solingen. „Wenn man die Verkehrswende möchte, muss man sich entsprechend aufstellen. Da muss die Politik sich bekennen.“ Es seien derzeit jedoch schwierige Zeiten. „Die Verteilmasse ist nicht so groß, man muss Schwerpunkte setzen. Man kann jedoch nicht fordern und die Verwaltung nicht mit den Ressourcen ausstatten.“

Die Stadt erarbeitet derzeit einen Nahverkehrsplan. Der erste Teil ist fertig, er hat sich mit Barrierefreiheit befasst. Für den zweiten Teil wurde ein Büro beauftragt, es geht um ein ganzheitliches ÖPNV-Konzept und die Finanzierung. Es soll Ende 2023 fertig sein. Zum Zustand der Haltestellen und Bahnhöfe sagt Sindram abschließend: „Es heißt immer, es gibt keine Leute, kein Geld. Da müsste engagierter etwas gemacht werden. Ich fordere auf, dass endlich etwas passiert, vonseiten der Bahn und der Stadt.“