Künstler Stefan Jung hat Kollegen aufgerufen, sich mit seinem Projekt auseinanderzusetzen – die Ergebnisse sind jetzt online einzusehen „Bananen für Wuppertal“ bilden spannendes Gesamtkunstwerk
Wuppertal · Der Künstler Sebastian Jung hat Kollegen dazu aufgerufen, sich mit seinem Projekt auseinanderzusetzen. Die Ergebnisse sind jetzt online zu sehen.
Großformatige Elefanten schauten im Oktober auf Passanten. Diese Intervention, bei der gelbe Elefanten die Rathaus Galerie bevölkerten, war nur der erste Teil des multimedialen Kunstprojektes von Sebastian Jung, das in Anbindung an das Ausstellungsprogramm „Zehn Jahre Neuer Kunstverein Wuppertal“ stattfindet. Mit den Elefanten verließ der 1987 in Jena geborene Künstler den Kunstraum und brachte die Kunst in eine neue Öffentlichkeit. Nun führt er die Kunst in einem aufwendig vorbereiteten Internetauftritt zurück in den Raum, auf die Seite www.bananen-wuppertal.de.
Zu einem Think Tank, der diese multimediale Ausstellung eröffnet, wurden zwölf Autorinnen und Autoren eingeladen, ihre Sicht auf das Projekt mit einer eigenen Frage und eigenen Erfahrungen zu verbinden. Die elf Texte des Think Tanks umkreisen die Themen Ost/West, Stadtentwicklung und Transformation aus ganz verschiedenen Perspektiven. Manche bewegen sich in konkreten Feldern, andere im Bereich des Abstrakten. Gemeinsam eröffnen die kurzen, prägnanten Texte (Lesedauer jeweils etwa zwei Minuten) ein Spektrum an Möglichkeiten des Denkens und Handelns. Es ist dem Künstler Sebastian Jung und dem Kurator Alexander Wagner gelungen, eine hochkarätige Gruppe mit sehr interessanten und unterschiedlichen Sichtweisen auf das Projekt zu gewinnen.
So spricht beispielsweise die Soziologin Saskia Sassen im Interview mit Alexander Wagner über Transformation und globalen Wandel in mittelgroßen Städten. Die Politikwissenschaftlerin Judith C. Enders schreibt über das Geschlechterbild der Ostdeutschen Frauen und äußert die These „Ostdeutsche Powerfrauen
transformieren verstaubte Geschlechterverhältnisse“.
Der bekannte Medienunternehmer und Kunstsammler Christian Boros, der mit seiner gemeinnützigen Boros Foundation zeitgenössische Kunst fördert und unterstützt, schreibt über die Notwendigkeit etwas zu tun, die aus dem Notstand erwächst. „Wuppertal bietet einen guten Nährboden hierfür – mit seiner langen Tradition in Design und Kunst, mit seinen vielen kreativen Köpfen, die hier und heute etwas grundlegend verändern wollen, aber eben auch mit dem Leer-, Still-, Miss- und Notstand, den es hier gibt“, meint Boros.
Auch Wuppertaler Stimmen sind im Think Tank vertreten: Der Philosoph Peter Trawny schreibt über die ‚Grenz-Erfahrung‘ der Nacht vom 9. November 1989. Die Biologin Christa Liedtke und die Geographin Carolin Baedeker, beide in leitender Position am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, schreiben zum Thema „Einfluss der Covid-19-Pandemie auf unser Konsumverhalten“.
Die äußerst komfortabel aufbereite Ausstellung, die zum Lesen und zum Diskurs einlädt, wird sicherlich auch überregional auf Interesse stoßen. „Wir alle, ob in Ost oder West, knapsen an den gleichen Fragen“, sagt Jung, und es gelingt ihm, ein komplexes Thema plakativ und spannend aufzubereiten.
Überaus lesenswert ist auch der Essay „Vom Langen Marsch der Elefanten von Leipzig nach Wuppertal“ von Heinz-Norbert Jocks. Der Journalist, Kunstkritiker, Ausstellungsmacher und Publizist ordnet das Gesamtkunstwerk ein und beschreibt Sebastian Jungs künstlerischen Anspruch ebenso wie die ‚langsame Agonie der Passagen‘.
Diesen zweiten Teil seines Kunstprojektes für den Neuen Kunstverein hatte Sebastian Jung von Anfang an online geplant. „Ich denke immer zweifach“, sagt er, und kann dies mit vorherigen multimedialen Projekten belegen. „Das hat auch den großen Vorteil, dass in einer Zeit, in der Ausstellungsräume geschlossen sind, nichts geändert werden muss“, sagt er. Die einzige Änderung ist der Verzicht auf das Gespräch zwischen Sebastian Jung und Kurator Alexander Wagner, das zur Eröffnung der Ausstellung live im den Räumen des Neuen Kunstvereins stattfinden sollte. Stattdessen hat Jung zusätzlich eine Geschichte vom kleinen Elefanten geschrieben, der aus der DDR kommt und eines Tages in einem Wuppertaler Einkaufszentrum aufwacht. Diese ‚post-koloniale‘ Geschichte, wie Jung sie nennt, soll auch als Künstlerbuch beim Neuen Kunstverein erscheinen.