Analyse Ungehörter Hilferuf aus Wuppertal

Wuppertal · Analyse Fast jeder zweite Wuppertaler hat einen Migrationshintergrund. Dies stellt die Stadt vor große Aufgaben.

Kinder von Zuwanderern haben Anspruch auf Plätze in Kitas und Schulen, die in Wuppertal ohnehin knapp bemessen sind.

Foto: dpa/Bernd Wüstneck

Der Anteil an Menschen mit einer Einwanderungsgeschichte liegt innerhalb Nordrhein-Westfalens in Wuppertal mit 40,5 Prozent am höchsten. Danach folgen Bielefeld und Hagen mit jeweils 39,8 Prozent. Die jüngsten Zahlen der NRW-Zuwanderungs- und Integrationsstatistik liegen für das Jahr 2017 vor, der Trend hat sich 2018 und 2019 fortgesetzt und Wuppertal weitere Zuwanderung beschert.

Rund 362 400 Bewohner zählte die Stadt zum Jahreswechsel. Wegen des relativ günstigen Wohnraums ist Wuppertal vor allem für Zuwanderer aus Ost- und Südeuropa attraktiv. Diese Menschen müssen integriert und versorgt werden, ihre Kinder haben Anspruch auf Plätze in Kitas und Schulen, die in Wuppertal ohnehin knapp bemessen sind.

„Das Bevölkerungswachstum in Wuppertal ist die eine Seite, aber man darf nicht unterschätzen, dass uns die Versorgung und Integration so vieler Menschen vor große Aufgaben stellt. In diesem Punkt ist die Unterstützung der Kommunen durch den Bund und das Land NRW bisher völlig unzureichend“, sagt Stadtdirektor Johannes Slawig.

Ohne die Zuwanderung aus dem EU-Ausland, die einen weit größeren Anteil als der Zuzug durch Geflüchtete ausmacht, wäre Wuppertal eine alternde Stadt mit Bevölkerungsschwund. Bei der Schaffung von Infrastruktur hinkt die Stadt seit Jahren hinterher.

Insgesamt ist das Armutsrisiko für Menschen mit Migrationshintergrund in den vergangenen Jahren gestiegen, während die Gefahr für Menschen ohne Migrationshintergrund bundesweit gesunken ist. Bundesweit lag 2017 der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund, deren Einkommen unter der Armutsrisikoschwelle liegt, bei 29,2 Prozent, in der übrigen Bevölkerung bei 11,9 Prozent. Fast jeder dritte Mensch mit Migrationshintergrund ist von Armut bedroht. Diesem Trend muss Wuppertal entgegen steuern - indem die Stadt vor allem in Bildung und Ausbildung investiert.

Allein bei den Geflüchteten reicht das Geld, das vom Bund als Flüchtlingspauschale an die Länder gezahlt wird und von denen an die Kommunen und Kreise weitergeleitet wird, bei weitem nicht für die Unterbringung, Versorgung und Integration der Menschen aus. 13 000 bis 14 000 Euro benötigt die Stadt pro Geflüchtetem, erhält bisher aber nur 8000 bis 10 000 Euro. Die Berechnungen der Flüchtlingspauschale beruhen auf Statistiken des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge von 2015 - und die daraus resultierenden Prognosen sind von der Realität längst überholt.

Ab 2021 ist noch keine Hilfe von Bund und Land in Aussicht

Die Koalitionsfraktionen im Landtag von Nordrhein-Westfalen hatten Ende 2019 angekündigt, im kommenden Jahr mit den Kommunen eine Lösung für die Belastungen im Flüchtlingsaufnahmegesetz zu verhandeln. Dafür wollen sie 110 Millionen Euro „fest zurücklegen“, was vom Städtetag NRW grundsätzlich begrüßt wird. Für eine finanzschwache Stadt gibt es aber weitere bisher noch unlösbare Probleme. So endet die finanzielle Unterstützung des Bundes für geduldete Flüchtlinge nach drei Monaten. Im Anschluss muss eine Stadt für die Kosten alleine aufkommen. Da wird der Ruf nach Abschiebungen laut – dem stehen in vielen Einzelfällen berechtigte humanitäre, rechtliche oder organisatorische Gründe entgegen, die eine Abschiebung ausschließen oder den Vollzug verzögern. Die Gemengelage ist sehr komplex. Wer schnelle Lösungen verspricht, der lügt.

Im Bereich Zuwanderung und Integration erwartet die Stadt über die Integrationspauschale für die Jahre 2019 (5,6 Millionen) und 2020 (5,5 Millionen) an Zuweisungen vom Land. „Ab 2021 gibt es nach dem vorläufigen Stand nichts mehr“, sagt Johannes Slawig. Das sei für Städte wie Wuppertal, die finanziell schwach aufgestellt sind, nicht zu verkraften. 2021 wird Wuppertal auch aus diesem Grund große Probleme haben, einen ausgeglichenen Haushalt vorweisen zu können.