Wuppertaler Gesundheitskolumne „Bei Verdacht auf Blutvergiftung zählt jede Minute“
Wuppertal · Schnelles Handeln und eine frühzeitige Diagnose sind bei einer Sepsis entscheidend.
Als Leiter des Notfallzentrums des Agaplesion Bethesda Krankenhauses in Wuppertal stehe ich täglich vor der herausfordernden Aufgabe, lebensbedrohliche Erkrankungen zu behandeln und Menschen zu retten. Kürzlich ist mir ein Fall besonders in Erinnerung geblieben.
Wir erhielten einen Notruf einer Familie, deren Mutter es nicht gut ging. Als wir mit dem Rettungswagen am Einsatzort antrafen, fanden wir eine Frau mit Fieber und Verwirrtheit vor. Anfangs vermuteten wir bei der 76-Jährigen eine Lungenentzündung, doch die Diagnose lautete: Lungenentzündung als Ursache einer Sepsis, umgangssprachlich auch als Blutvergiftung bezeichnet.
Sepsis ist eine gefährliche und potenziell tödliche Erkrankung. Sie entsteht, wenn eine Infektion im Körper nicht richtig kontrolliert wird und sich auf das Blut ausbreitet. Beim Thema Blutvergiftung denken viele Menschen sofort an den berühmten „roten Strich“ auf Arm oder Bein, der angeblich zum Tod führen kann, sobald er das Herz erreicht. Jedoch handelt es sich hierbei um ein weit verbreitetes Missverständnis. Die meisten Betroffenen zeigen dieses Symptom nämlich gar nicht. Die Symptome können insgesamt sehr vielfältig sein: von Fieber und Schüttelfrost bis hin zu Atembeschwerden und Verwirrtheit. Oft sind die Anzeichen nicht eindeutig und können leicht mit anderen Erkrankungen verwechselt werden.
In diesem Fall zeigte die Patientin zudem eine fleckige Hautverfärbung an Armen und Beinen, was ein alarmierendes Zeichen für eine Sepsis ist. Durch genaue Untersuchungen und eine differenzierte Diagnostik konnten wir die Blutvergiftung schnell und rechtzeitig erkennen.
Bei Verdacht auf Sepsis zählt jede Minute. Eine frühzeitige Behandlung kann zwischen Leben und Tod entscheiden. Wir führten sofort eine umfassende Untersuchung durch, nahmen Blutproben und starteten eine lebensrettende Therapie. Die Patientin wurde auf die Intensivstation gebracht. Hier verabreichten wir ihr hoch dosierte Antibiotika, um die Infektion zu bekämpfen. Ihre Organe unterstützten wir mit gezielten Maßnahmen, um den Körper zu stabilisieren. Es war ein Rennen gegen die Zeit, um die Ausbreitung der Infektion einzudämmen und das Leben der Patientin zu retten. Dank des engagierten Einsatzes unseres multidisziplinären Teams konnte die Patientin die Sepsis aber erfolgreich überwinden und sich erholen.
Sepsis kann jeden treffen, unabhängig von Alter, Geschlecht oder Gesundheitszustand. Besonders gefährdet sind allerdings ältere Menschen, chronisch Kranke und Personen mit geschwächtem Immunsystem. Die Hauptursachen für eine Blutvergiftung sind Erkrankungen wie Lungen-, Bauchfell- oder Harnwegsentzündungen. Doch auch scheinbar harmlose Verletzungen im Alltag wie ein Kratzer, ein aufgekratzter Mückenstich oder ein aufgeschlagenes Knie können ausreichen, um eine Blutvergiftung auszulösen.
Eine gute Hygiene und ein schnelles Handeln können bei ersten Anzeichen einer Sepsis dazu beitragen, das Risiko zu reduzieren. Die genannten Risikogruppen sollten sich gegen Grippe, Pneumokokken und Corona impfen lassen. So können viele Infektionen verhindert oder abgeschwächt werden, die zu einer Blutvergiftung führen können.
Meine Erfahrung in der Notfallmedizin hat mir gezeigt, dass schnelles Handeln und eine frühzeitige Diagnose von entscheidender Bedeutung sind. Bei einem Verdacht auf Sepsis sollten Sie unverzüglich medizinische Hilfe in Anspruch nehmen. Je früher die Behandlung beginnt, desto besser sind die Aussichten auf Genesung.
Dr. Gunnar Kalund ist Leiter des Notfallzentrums am Bethesda Krankenhaus und Leitender Notarzt der Stadt Wuppertal