Besitzer will Hochhaus sanieren

Die Bewohner des geräumten Hauses sind alle untergebracht. Der Eigentümer hat gestern Kontakt zur Stadt aufgenommen.

Besitzer will Hochhaus sanieren
Foto: Andreas Fischer

Die Einwohner des Hauses an der Heinrich-Böll-Straße 200 in Oberbarmen sind seit gestern von der Stadt untergebracht. Laut Martina Eckermann, Sprecherin der Stadt, sind 35 der 72 gemeldeten Personen in städtischen Wohnungen untergekommen, der Rest bei Verwandten oder Freunden. Unterdessen hat sich der Hausbesitzer bei der Stadt gemeldet und die Bereitschaft signalisiert, zu handeln. Der Geschäftsführende Vorstand der Firma Intown aus Berlin bestätigte das per Pressemitteilung. „Das Bauamt hat einen Wiederbezug zugesagt, sobald die Fassade entfernt ist und alle sicherheitstechnischen Mängel behoben sind. Wir sind bereits dabei, dies in die Wege zu leiten und durchzuführen.“

Die Evakuierung, die am Dienstag um 17 Uhr startete, dauerte laut Eckermann bis etwa 21.30 Uhr. Eine Familie und eine Einzelperson seien noch später in der Nacht nach Hause gekommen und von Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes vor Ort an die Zuständigen der Stadt vermittelt worden.

Die Bewohner des Hauses sind jetzt in Ersatzwohnungen, die die Stadt als Flüchtlingsunterkünfte genutzt hat oder nutzen wollte. „Fast alle sind frisch renoviert“, sagt Eckermann. Teils seien sie in städtischem Besitz, teils angemietet. Die Hausbewohner sind am Dienstagabend mit Bussen der Stadtwerke zum Integrationsamt an der Bergbahn gefahren worden, wo ihnen Wohnungen je nach Bedarf angeboten und die Schlüssel übergeben wurden. Die Stadt trägt bis auf weiteres die Kosten für die Unterbringung.

Gleichzeitig sammelt die Stadt aber schon Wohnungsangebote für diejenigen, die sofort umziehen wollen. Heute und morgen bietet die Stadt eine Wohnungsbörse im Wuppertaler Hof, bei der die Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft Wuppertal (GWG) und die LEG Gruppe Wohnungen im selben Quartier anbieten, falls Anwohner direkt umziehen möchten. Die Umzugskosten für Menschen, die etwa Arbeitslosengeld oder Grundsicherung erhalten, werden vom Jobcenter oder dem Sozialamt übernommen. „Wir erkennen die Umzugserfordernis an“, sagt Eckermann.

Aktuell können die Bewohner noch in ihre Wohnungen. Von 9 bis 18 Uhr sind Mitarbeiter der Bauordnung am Ort und begleiten die Menschen in ihre Wohnungen, wenn sie noch Sachen abholen möchten. Bleiben können sie nicht. Ab kommender Woche, so Eckermann, sollen Besuche nur noch nach Terminabsprache möglich sein.

Jetzt, da die Menschen versorgt sind, stellt sich die Frage nach der Dringlichkeit der Räumung. Die Stadt sagt, sie habe bereits seit dem Brand des Grenfell-Towers in London hellhörig angefangen, zu recherchieren. Der ausschlaggebende Punkt sei gewesen, dass klar wurde, dass es keine zusammengeschaltete Brandmeldeanlage gab, sagt Eckermann. „Hätte es die gegeben. Hätten die Menschen vielleicht bleiben können“, sagt Eckermann. So habe es keine Alternative gegeben.

Prof. Roland Goertz, Leiter der Abteilung Chemische Sicherheit und Abwehrender Brandschutz an der Bergischen Universität, warnt davor, in Panik zu verfallen. „Eine entflammbare Fassade allein ist noch kein Grund, ein Hochhaus zu räumen. Es müssen schon, wie offensichtlich in diesem Fall, weitere Gefahrenkomponenten hinzukommen“, sagt Goertz. Eine Evakuierung sei nur zur Abwehr unmittelbarer Gefahr für die Bewohner gerechtfertigt. Er kenne das betroffene Gebäude nicht, aber grundsätzlich müsse in solchen Fällen auch in Erwägung gezogen werden, eine Brandwache rund um die Uhr einzusetzen. Martina Eckermann bezweifelt die Wirksamkeit einer solchen Maßnahme an der Heinrich-Böll-Straße. „Eine Brandwache vor dem Haus sieht nicht, wenn sich hinten im zehnten Stock schon ein Feuer durchfrisst“, sagt sie.

Laut Ulrich Zander, Wuppertals Feuerwehrchef, hat sich ein Feuerwehrmann, der während des Brandes in London in Urlaub war, nach seiner Rückkehr an eine Brandschau im Jahr 2010 erinnert. Er sei zum Hochhaus gefahren und habe an einer beschädigten Stelle der Fassade ein Stück des Dämmmaterials herausgezogen und mit einem Streichholz angezündet. Dann sei der Fall die Leiter der Hierarchie hochgegangen — bis Baudezernent Frank Meyer am späten Dienstagvormittag die Entscheidung zur Evakuierung traf.

Dass nicht schon vorher gehandelt wurde, erklärt Zander damit, dass „niemand in der Feuerwehrwelt sich so einen rasanten Brand an der Fassade hat vorstellen können.“ Die Bilder aus London hätten das geändert. Die vorgelagerte Fassade wirke wie ein Kamin.

Zudem seien die Rettungswege nicht sicher, sondern führten an der Fassade entlang.