Konsequenzen für den Bergischen Mittelstand Brexit-Experte sieht harte Zeiten auf Bergische Wirtschaft zukommen

Wuppertal · In einer Zoom-Konferenz des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft erklärte der Politikwissenschaftler und Brexit-Spezialist Jakob Steffen, welche Konsequenzen durch den Brexit für den Bergischen Mittelstand schon jetzt nicht mehr zu vermeiden sind.

Der Brexit beschäftigt die Wirtschaft im Bergischen weiterhin.

Foto: dpa/Francisco Seco

Nach monatelangen Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen bleiben der Europäischen Union und der Regierung von Großbritannien nur noch wenige Tage, um einen sogenannten No-Deal-Brexit zu verhindern. Ein Austritt der Briten aus der EU ohne ein begleitendes Abkommen würde die wirtschaftlichen Folgen für beide Seiten - insbesondere aber für die Briten - deutlich verschärfen.

In einer Zoom-Konferenz des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft erklärte der Politikwissenschaftler und Brexit-Spezialist Jakob Steffen, welche Konsequenzen durch den Brexit für den Bergischen Mittelstand schon jetzt nicht mehr zu vermeiden sind. 

Roland Müller, Beauftragter des Verbandes BVMW Bergischer Region, moderierte das „Webinar“, in dem die Dringlichkeit für die Unternehmen, Vorkehrungen für den Brexit zu treffen, noch einmal deutlich wurde. Jakob Steffen sprach Klartext: „Der Brexit droht die Coronakrise zu verstärken. Die Britische Wirtschaft ist schon von Corona geschwächt. Kaum ein Unternehmen auf UK-Seite ist auf Zollkontrollen vorbereitet. LKW-Schlangen in Dover dürften daher in den ersten Wochen Realität werden.“

Was ist zu tun? Jakob Steffen gab konkrete Ratschläge: „Besorgen sie sich eine Zollverwaltungsnummer, wie man sie bisher nur aus dem Handel mit Drittstaaten kennt. Beantragen Sie einen EU-Führerschein für britische Lastwagenfahrer.“ Für größere Unternehmen sei es zudem ratsam, Zollfachkräfte zu beschäftigen. Sollte dies nicht schon geschehen sein, dann sei es geboten, schnellstens eine solche Stelle auszuschreiben, so Steffen. Außerdem rät er den Unternehmern, die Versicherungs- und sonstigen Finanzproduktverträge mit der Hausbank zu überprüfen. Sollten diese über den Finanzplatz London abgewickelt werden, dann müssten sie sofort ersetzt werden.

Welcher Typ von Brexit auf die Bergische Wirtschaft zukommt, sei noch immer nicht entschieden. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sieht die EU auf einen No-Deal-Brexit gut vorbereitet. Das ist eine Aussage, die Teil des großen Pokerspiels sein dürfte, das der britische Premierminister Boris Johnson auf die Spitze zu treiben scheint.

Rückgang des Handels um 50 Prozent befürchtet

Jakob Steffen sieht Johnson als „klassisch britische Figur, mit der Neigung, oberhalb der eigenen Gewichtsklasse zu boxen“. Boris Johnson argumentiere aber nicht irrational wie Donald Trump. Im Gegenteil, er habe durch den Brexit seine persönlichen politischen Ziele erreicht und die politische Macht der Konservativen ausgebaut. Daher vermutet Jakob Steffen, dass Johnson im letzten Moment einlenken wird, denn der wirtschaftliche Totalschaden seines Landes könne nicht sein Ziel sein. Ein No-Deal habe zur Folge, dass die Briten von der EU in Bezug auf die Wirtschaftsbeziehungen einem Land wie Indien gleichgestellt würden. 

Doch auch die deutschen Unternehmen haben viel zu verlieren. Im schlimmsten Szenario ergibt sich ein Rückgang des UK-Handels um 50 Prozent. Den stark exportorientierten Bergischen Unternehmen bleibt in diesem großen politischen Szenario nur die Rolle des Zuschauers. Sie müssen damit rechnen, dass sie für ihre Produkte in Zukunft Ursprungszeugnisse für die gesamte Lieferkette abgeben müssen, in denen dargelegt wird, wo das Produkt „wertgeschöpft“ worden ist. Ein weiterer möglicher Schaden sei der Verlust der Anerkennung von Produktstandards.

Sollte es keinen Deal mit der EU geben, dann erwartet Jakob Steffen, dass sich das Pfund dem Euro im Wert noch stärker angleichen wird. Schon jetzt betrage der Unterschied  lediglich zwölf Cent. Der Rückgang der britischen Wirtschaftskraft liege bei zehn Prozent. Eine Annäherung beider Währungen im Wert würde deutsche Exporte nach Großbritannien für die Briten verteuern und damit dem Warenaustausch einen Dämpfer geben. Der Warenhandel werde im Zentrum des Brexits stehen, während die britische Finanzindustrie weit weniger betroffen sei. Jakob Steffen spricht nicht von der Macht des Geldes, sagt aber: „Der Londoner Finanzplatz ist nicht so einfach zu ersetzen.“