Bergische Universität Was sagt der Musikgeschmack über die Persönlichkeit aus?

Dr. Barbara Roth lehrt Musikpsychologie an der Bergischen Universität.

Musikwissenschaftlerin Dr. Barbara Roth geht auch mal ungewöhnliche Wege.

Foto: Uni/Uni Service Transfer

Eine Studie der britischen Psychologen Peter Jason Rentfrow und Samuel Gosling von der University of Cambridge zeigt, dass Menschen besser über ihren Musikgeschmack als über ein Foto eingeschätzt werden können. Seine Musikvorlieben lassen demnach auf die Persönlichkeit eines Menschen schließen.

Die Musikpsychologie als Teilgebiet der Musikwissenschaft nutzt psychologische Methoden, um Wahrnehmung, Erleben und Verstehen von Musik zu erforschen. Seit dem Sommersemester unterrichtet Dr. Barbara Roth, Lehrbeauftragte der Fachgruppe Musikpädagogik, diese Wissenschaftsrichtung an der Bergischen Universität. „Das Spannende daran ist, dass man viele Schnittstellen zu anderen Wissenschaften hat“, sagt sie. „Einerseits zur Musikpädagogik und Psychologie, aber auch zur Soziologie, Medizin und den Medienwissenschaften.“

In der Musikpsychologie gehe es um Musikkultur und musikalische Sozialisation, Grundlagen der Musikwahrnehmung und um die Entwicklung musikalischer Fähigkeiten, beginnend vor der Geburt, über Kindergarten- und Schulzeit, aber auch darüber hinaus. „Man hat immer die Lebensspanne im Blick“, erklärt Roth, und daher spielten später auch Medien, Werbung und Musikpersönlichkeiten eine weitere wichtige Rolle.

„Wir haben eine große Verantwortung als Musiklehrer, denn es geht darum, Kultur zu vermitteln und Räume für ästhetische Erfahrungen zu schaffen“, sagt Roth, die den Begriff der Musikbegabung weit fasst. Zum Glück hätten sich Musikunterricht und die Bewertungsmaßstäbe geändert, die bloße Beurteilung nach den Gesangsqualitäten der Schüler sei vorbei. Heute ist Musikunterricht vielfältig.

Die diversen Testverfahren, nach denen eine musikalische Begabung bemessen wird, sieht die Oberstudienrätin kritisch, denn es gebe keinen klar umrissenen Begabungsbegriff. „Wenn wir schon von musikalischer Begabung oder Musikalität sprechen, besteht sie aus ganz vielen Teilaspekten“, die Tests seien jedoch nur auf bestimmte Bereiche fokussiert, zum Beispiel Tonhöhenunterscheidung und Rhythmuswahrnehmung, und ließen außereuropäische Musikkulturen vielfach außer Acht.

„Über Musik sprechen können eigentlich alle. Die meisten Schüler sind über ihre Musikstile Meister ihres Fachs. Wenn sie im Unterricht davon berichten, haben Lehrer oft nur am Rande davon gehört, einfach, weil die Entwicklung so schnell ist. Sie sind kleine Experten, wenn es die eigene Musik betrifft.“

Zu Musikalität gehört mehr als das, was Lehrpläne sagen

Um ein Rhythmusgefühl zu bekommen, geht die Musikpädagogin auch schon mal unorthodoxe Wege. „Es gibt Kinder, die können nicht gut singen und haben auch beim Musizieren im Klassenverband Schwierigkeiten, denen liegt das nicht. Aber ich erlebe es immer wieder, dass auch Jungen plötzlich sagen: Können wir nicht mal einen Rap tanzen oder auf einen anderen Song tanzen? Und dann fangen sie an und der Rhythmus stimmt. Zur Musikalität gehört mehr dazu als das, was im Unterricht vorgegeben und was in Lehrplänen festgehalten wird.“

Auch digitalen Medien verschließt sie sich nicht, wissend, dass ihre Schützlinge mit diesen Werkzeugen gut umgehen können. Roth schaut über den Tellerrand und setzt auf Kreativität. Neue Medien gäben den Kindern, die keine Noten lesen könnten oder in der Grundschule keinen Musikunterricht gehabt hätten, die Möglichkeit, Minikompositionen selber zu erschaffen. Sie geben auch die Möglichkeit, mit Klängen zu experimentieren und Klangvorstellungen zu entwickeln, die durch das begrenzte schulische Instrumentarium so im Unterricht oder in Musik-AGs nicht erzeugbar wären. Konzertbesuche und der Blick hinter die Kulissen eines Opernhauses erweitern das schulische Angebot.

„Ein Bereich, der immer mehr im Kommen ist“, erklärt Roth, „ist Motivation und Üben. Wie überwinde ich mich, wenn ich keine Lust habe? Wie lerne ich Noten? Wenn ich mich einsetze, mich bemühe, wenn ich übe, dann kann ich auch Erfolg haben. Über sich zu lernen, ich kann durch Üben weiterkommen, ist eine wichtige Erfahrung und Mutmanagement.“

Roth holt ihre Schüler ab, erklärt ihnen auch mal, dass der Handyklingelton eigentlich ein barockes Stück ist oder bekannte Themen aus klassischer Musik in Popsongs verarbeitet werden. „Bis zum Grundschulalter besteht bei allen Kindern eine sogenannte Offenohrigkeit“, sagt Roth, eine Toleranz gegenüber nahezu allen Musikstilen unseres Kulturkreises, was sich erst etwa ab dem achten Lebensjahr ändere.