Elternzeit Feinere Antennen für den Nachwuchs
In Wuppertal nehmen weniger Väter eine Auszeit für ihre Kinder als anderswo. Christian Nölle hat Elternzeit genommen und ist seinem Sohn nähergekommen.
Wuppertal. Ob er Elternzeit nehmen würde, war für Christian Nölle nie die Frage. Als er und seine Lebensgefährtin die Familienplanung angegangen sind, hätten sie kurz darüber gesprochen, sagt er, und sich ganz klar dafür entscheiden. „Ganz ohne die Regularien zu kennen und ohne Dunst, wie viel Geld es gibt.“ Nölle ist einer von relativ wenigern Vätern in Wuppertal, die Elternzeit genommen haben. Im Jahr 2013 waren das laut Zahlen des Statistischen Bundesamtes 21,5 Prozent der Väter. Das ist weniger als im restlichen Bundesland (25,1 Prozent). Und weit weniger als im gesamten Bundesgebiet (32 Prozent).
Christian Nölle ist Diplom-Ökonom und arbeitet an der Bergischen Universität. Er ist Abteilungsleiter am Zentrum für Informations- und Medienverarbeitung. Sein Sohn Enno ist mittlerweile 18 Monate alt. Nölle konnte vier Monate mit ihm verbringen. Drei Monate Elternzeit und einen Monat Urlaub. Und damit liegt er über dem Schnitt. Denn 69,2 Prozent der Väter, die hier Elternzeit genommen haben, waren nur zwei Monate zu Hause.
Christian Nölle
Gabriele Hillebrand-Knopff, stellvertretende Gleichstellungsbeauftrage an der Uni, sagt, „die berühmten zwei Monate“ seien mittlerweile die Regel. Die Vätermonate wurden 2007 durch das Familienministerium eingeführt. Wenn Väter innerhalb der ersten 14 Lebensmonate mindestens zwei Monate Elternzeit nehmen, können insgesamt 14 Monate Elterngeld — 67 Prozent des Gehalts — bezogen werden, statt der zwölf Monate, die bezahlt werden, wenn nur ein Elternteil zu Hause bleibt.
Die Gleichstellungsbeauftragte sieht zwei Gründe dafür, dass Väter keine oder nur die wenige Elternzeit nehmen. „Meistens verdienen die Männer eben noch mehr — und davon sind dann plötzlich drei statt zwei zu versorgen.“ Deswegen wiege der Verdienstausfall schwerer. Zudem, so Hillebrand-Knopff, würden viele Männer denken, mehr als zwei Monate wären nicht akzeptiert. An der Uni gelte das besonders für diejenigen, die befristete Verträge haben und projektgebunden arbeiten.
Für Nölle spielte beides keine Rolle. Der 39-Jährige sitzt mit blauem Kapuzenpulli in seinem Büro auf dem Grifflenberg und erzählt über seine Gründe für die Monate zu Hause. „Uns ging es nicht um den Maximalbezug. Wir wollten die Zeit möglichst gerecht aufteilen.“ Denn auch wenn er gerne und mit offensichtlich viel Freude Vater sei: „Unsere Lebensrollen sind nicht nur Mutter und Ernährer.“ Durch seine Zeit mit Enno konnte seine Lebensgefährtin schneller in den Beruf zurückkehren. Und er konnte mehr am Leben des Jungen teilhaben. „Man kriegt wenig mit, wenn man die ganze Zeit arbeiten geht.“ Nicht alles vorbeiziehen lassen — das sei der zweite wichtige Grund gewesen.
Vor der Elternzeit habe Nölle gedacht: „Schaffe ich das?“ Und in Teilen sei es nicht einfach gewesen. „Ich hab’ das wirklich gern gemacht, aber die ersten zwei, drei Wochen, waren wirklich eine Umstellung.“ Die Arbeit spiele eine große Rolle im Leben. „Man definiert sich ein Stück weit über den Beruf — und huch, ist man plötzlich im Haushalt.“ Aber viel relevanter sei, dass er seinem Sohn näher gekommen sei. „Ich hatte das Gefühl, etwas feinere Antennen zu haben, dafür, was dem Kleinen fehlt.“ Bis heute sei es leichter für ihn, Enno ins Bett zu bringen. „Aber das könnte auch daran liegen, dass er einfach größer geworden ist“, sagt Nölle und lacht. Man wisse das ja nicht so genau.
„Im Nachhinein“, sagt Christian Nölle, „hätte ich gerne länger Elternzeit genommen. Und früher.“ Aber letztlich sei auch der Zeitpunkt so nötig gewesen. Denn die Kinderbetreuung ging erst nach seiner Elternzeit los.