Vorwürfe von Angehörigen und Mitarbeitern War Wuppertaler Augustinusstift mit den Corona-Infektionen überfordert?

Wuppertal · Seit dem 15. März sind im Wuppertaler Altenzentrum Augustinusstift der Caritas 24 Personen an Covid-19 gestorben, insgesamt gab es 44 Todesfälle – ein Drittel der Bewohner.

 44 Bewohner des Altenheims Augustinusstift sind seit dem 15. März gestorben. Das liegt deutlich über den üblichen Sterbezahlen

44 Bewohner des Altenheims Augustinusstift sind seit dem 15. März gestorben. Das liegt deutlich über den üblichen Sterbezahlen

Foto: Fries, Stefan (fri)

Welchen Anteil an den Todesfällen Corona-Erkrankungen haben, ist eine Frage, bei der die Meinungen von Caritas, einiger Mitarbeiter und einiger Angehöriger der Bewohner auseinander gehen. 24 Fälle, in denen Menschen mit und an Covid-19 starben, sind bestätigt. Gegenüber der WZ wurden Vorwürfe laut, dass die Versorgung der Bewohner große Mängel aufwies. Zuletzt (12. Mai) waren nur noch drei Bewohner im Heim positiv getestet.

Zum Höhepunkt der Krise im Altenheim waren 73 Bewohner infiziert, insgesamt 34 Mitarbeiter wurden positiv getestet, ein Teil davon war erkrankt. Dennoch, so die Caritas, sei zu keinem Zeitpunkt die Sicherheit der Bewohner gefährdet gewesen. Johannes Slawig, Leiter des Krisenstabes der Stadt, und Sozialdezernent Stefan Kühn erklärten auf Anfrage der WZ, dass nach ihren Kenntnissen die Lage in einer Phase sehr kritisch gewesen sei. Die Caritas habe aber erklärt, dass die personelle Ausstattung noch ausreichend sei.

Die Caritas widerspricht den Vorwürfen

Das schildern einige Mitarbeiter des Augustinusstift und Angehörige anders. Sie berichteten im Gespräch mit der WZ, dass das Personal ganzer Wohnbereiche ausfiel, einige Ersatzkräfte nicht ausreichend ausgebildet gewesen seien. Das verbliebene Stamm-Personal habe unter immensem Druck gestanden, habe durch die Hygiene-Auflagen und die Versorgung von Kranken mehr zu tun gehabt, die Arbeit sei nicht mehr zu schaffen gewesen. Sie hätten sich nicht mehr ausreichend um die Bewohner kümmern können. „Das war gefährliche Pflege“, sagte eine Mitarbeiterin.

Das hat auch Regina Wlodawer so erlebt, die bis Ende 2017 Leiterin des Augustinusstift war. Ihre Schwiegermutter lebt in dem Haus, hat in den letzten Wochen stark abgebaut, ohne infiziert zu sein. Ihr Mann und sie seien gerufen worden, dass es mit der alten Dame zu Ende gehe. Deren Zustand habe sie „entsetzt“: Sie sei dehydriert gewesen, der Mund ausgetrocknet. Der Familie sei klar, dass sie sterben könne, aber nicht so. Nachdem es nun seit einiger Zeit Diskussionen über die Besuchserlaubnis gibt, will die Familie die Mutter zu Hause weiter pflegen.

Auch Eva van Brederode, deren Mutter ebenfalls negativ getestet wurde, berichtet von gestresstem Personal. Es sei kaum möglich, Auskunft über ihre Mutter zu bekommen, die sie sonst häufig besuche. „Ich glaube, die Pflegenden tun, was sie können, aber sie sind personell an der Grenze.“

Die Erlebnisse belasten die Mitarbeiter: „Das verfolgt mich bis jetzt“, sagte eine Pflegerin. Das Wort Traumatisierung fällt. Raum für Trauer um die Verstorbenen, zu denen sie ja eine Beziehung hatten, und eine Aufarbeitung gebe es bisher nicht.

Weitere Vorwürfe beziehen sich darauf, dass Infizierte und Nicht-Infizierte nicht frühzeitig getrennt worden seien, Schutzausrüstung gefehlt habe. Die Caritas widerspricht. Das Haus habe stets nach den Vorgaben von Gesundheitsamt und Robert-Koch-Institut gearbeitet. Misslich sei gewesen, so Caritas-Sprecherin Susanne Bossy, dass trotz früher Forderungen der Caritas erst so spät alle Bewohner und Mitarbeiter getestet wurden. Erst am 16./17. April folgte das Gesundheitsamt der Forderung nach einem Screening. Da wusste man schon von 32 infizierten Bewohnern, acht waren verstorben. Die erste Infektion einer Mitarbeiterin war Ende März bekannt geworden. Bald danach erkrankten Bewohner. Es folgten Wochen mit immer neuen Hiobsbotschaften von Erkrankungen und Todesfällen.

Die Infizierten seien anfangs nicht isoliert worden, Pflegekräfte hätten sowohl Infizierte als auch Nicht-Infizierte betreut, ist ein Vorwurf von Mitarbeitern und Angehörigen. Caritas-Sprecherin Susanne Bossy erklärt dazu: „Infizierte wurden vom ersten Tag in Absprache mit den Behörden isoliert.“ Mitarbeiter hätten entsprechend dem „3-Zonen-Prinzip“ gearbeitet, nach dem erst Gesunde, dann Fälle in Quarantäne, dann Menschen in Isolation versorgt werden.

Doch dafür soll die Schutzausrüstung nicht gereicht haben. Eine Pflegerin berichtet, man habe ihr eine Schutzmaske für drei Dienste gegeben mit den Worten: „Pass gut darauf auf, es gibt keine anderen.“ Es habe auch geheißen, die Kittel müssten eine Woche reichen, zu einer Kontrolle der Heimaufsicht habe es dann aber neue gegeben. Die Caritas-Sprecherin widerspricht: „Es war von Anfang an so viel Schutzausrüstung vorhanden, dass die vorgegebenen Hygiene-Standards jederzeit eingehalten werden konnten.“

Dass die Infektion auch bei den Mitarbeitern grassierte, bestätigt Susanne Bossy. Positiv getestet und in Quarantäne waren auch Heimleiter und Pflegedienstleitung. Doch Ausfälle hätten durch Pflegefachkräfte von Leihfirmen und anderen Caritas-Einrichtungen ausgeglichen werden können. Angaben, Mitarbeiter hätten nach Kontakt mit Infizierten weiter arbeiten müssen, seien falsch: „Kein Mitarbeiter, der vom Gesundheitsamt als Kontaktperson eingestuft wurde, die in Quarantäne gehört, ist in den Dienst beordert worden.“