Durch Wuppertal mit einer Atemmaske Der Maskenmann wird immer vorbeigelassen
Wuppertal · Wie ist der Alltag mit Mundschutz zu bewältigen? Unser WZ-Autor fuhr maskiert Schwebebahn und ging einkaufen.
Die Schwebebahn ist gerade weg. Also war der Sprint die Treppen hoch völlig umsonst. Ärgerlich. Zumal tiefes Durchatmen mit einer Atemschutzmaske nicht angenehm ist. Die Luft hinter dem Mundschutz, der durch einen Gummizug fest aufs Gesicht gepresst wird, ist warm. Kondenswasser perlt auf der Lippe.
Insgesamt ist die Gesichtsmaske ein Fremdkörper. Sie ist keine Brille oder ein Schal, über den die Leute hinwegsehen. Auf dem Bahnsteig zieht die Maske immer wieder Blicke auf sich. Einmal rasch umdrehen und mindestens zwei Augenpaare suchen sich schnell ein anderes Ziel. Der Maskenmann verunsichert.
FFP3 - das ist der Schutzgrad der Maske. Sie hat ein Ventil des Typs 9332+, durch das die Atemluft ein- und ausströmt. Mit ihr lässt sich sicher schweißen, Asbest beseitigen und sie schützt auch vor Viren. Das Gesundheitsministerium und die Weltgesundheitsorganisation raten aktuell davon ab, solche Masken zu Schutzzwecken gegen den Coronavirus zu tragen, weil sie ein falsches Sicherheitsgefühl vermitteln. Wichtiger sei das regelmäßige Händewaschen. Für Erkrankte kann die Maske allerdings sinnvoll sein, wenn sie sich unbedingt im Freien bewegen müssen. Ein Restrisiko bleibt aber. Viren werden nicht zu 100 Prozent gefiltert. Private Käufer scheint das nicht zu stören. Das 10er Pack dieser Maske ist beim Onlinehandel Amazon derzeit nicht verfügbar. Bei E-Bay ist die Maske für rund 20 Euro eingestellt, während andere dubiose Händler 145 Euro dafür haben wollen.
Der Maskenmann wird immer vorbeigelassen
„Entschuldigung, das ist doch die Schwebebahn in Richtung Barmen?“ Eine Frau mittleren Alters hat so lange an der Maske vorbeigesehen, bis es nicht mehr anders ging. Jetzt hat sie der Maskenträger angesprochen, den am liebsten niemand um sich haben möchte. Ist der krank, will der sich schützen? Die Frage steht den Leuten ins Gesicht geschrieben. „Ja... äh... ja, das ist die Richtung. Bis Oberbarmen“, sagt die Frau und schlendert weiter. „Danke.“ Die Maske vibriert beim Sprechen. Als Träger ist man ständig verunsichert: Sitzt sie richtig? Entweicht auch keine Luft beim Ausatmen? Sowohl dem behandelnden Arzt als auch dem Erkrankten mit Mundschutz dürften diese Fragen unentwegt durch den Kopf geistern.
Die Schwebebahn ist da. Und die Menschen stehen dicht gedrängt. Der Maskenmann hat kein Problem, vorbeigelassen zu werden. Doch in der Schwebebahn ist kein Platz, um einen Sicherheitsabstand zu halten. Die Leute rücken auf, und alle stehen Arm an Arm - Maske oder nicht. Eine junge Frau lässt ihre Augen schweifen. Kurzer Blickkontakt. Reflexartig verzieht sich ihr Gesicht.
Hauptbahnhof. Raus. Vorbei an einem Spalier von Menschen. Ein Mann hustet in der Menge. Kein Problem. Schnell runter die Treppe und ins Freie. Tief durchatmen - und nur warme Luft schmecken. Es regnet. Das ist schlecht, weil die Maske nicht nass werden darf. Ist jetzt ohne Schirm die Reise beendet? Nein, Laufen ist angesagt. Blick nach unten, Maske schützen. Mittlerweile schneidet sich das obere Teil des Atemschutzes tief in die Haut oberhalb des Nasenknochens. Aber hier kann nichts zurechtgerückt werden.
Angekommen in der Bahnhofshalle begegnen zwei Jugendliche der Maske. Das Mädchen stößt ihre Freundin an und hustet demonstrativ. Es ist schon interessant, wie unterschiedlich die Menschen auf diesen Anblick reagieren. Für die einen ist es ein Witz, für die anderen bitterer Ernst.
Nächster Stopp: das Zeitschriften-Geschäft am Bahnhof. „Nur die Packung Kaugummi“, sagt die gedämpfte Stimme hinter der Maske. Der Verkäufer sucht den Blickkontakt. Ein Geldschein wechselt den Besitzer, Münzgeld kommt zurück. Direkt in die Hand. „Schönen Tag noch“, der Mann lächelt. Ein Stückchen Normalität. Das muntert auf. Es ist schön, irgendwann nach draußen gehen zu können und die Maske abzustreifen. Die frische Luft riecht gut.