Das Daumenkino als Bühnenshow

Volker Gerling macht alles zu Fuß – und aus seinen Fotos Daumenkino.

Wuppertal. Belichtungszeit: 1/15 Sekunde bei einer Frequenz von drei Bildern pro Sekunde. Aufnahmezeit für ein Portrait-Daumenkino: Zwölf Sekunden. Daumenkino? Das klingt nach Kindheit für Menschen mittleren Alters. Volker Gerling ist knapp 40 und erschafft: Daumenkinos.

Mindestens zwei Fakten daran sind wirklich ungewöhnlich. Erstens handelt es sich um fotografierte Daumenkinos. Und zweitens trägt der Wahl-Berliner diese in einem Bauchladen durch Deutschland, zu Fuß, derzeit in Wuppertal. Er habe das Gefühl, sonst zu schnell zu sein, unterwegs etwas zu verpassen.

"Entschleunigung" ist das Stichwort. "Ein Daumenkino kann der Zeit auf die Schliche kommen", spielt er auf seine philosophische Auseinandersetzung mit dem Zeitbegriff an. Auch ein Buch dazu veröffentlichte er bereits. "Was haben Albert Einsteins Mantel und die Relativitätstheorie mit einem Daumenkino zu tun?"

Diesen und anderen Fragen geht er in "Der Mantel der Eigenzeit" auf den Grund. Zehn Jahre ist es her, dass Gerling diese Kunstform für sich entdeckte: "Für mich war und ist es das optimale Medium, die Schnittstelle zwischen Fotografie und Film. Ganz authentisch kann ich meine Geschichten erzählen." Er sei ein Geschichtenerzähler im archaischen Sinne, so der Daumenkinograf angenehm unaufgeregt. "Ich gehe raus in die Welt, kehre zurück und berichte."

Was zunächst im privaten Umfeld stattfand, wird seit drei Jahren interessiertem Publikum zuteil. Regelmäßig wird Gerling gebucht, im Gepäck hat er 25 Kilo Technik und Material. In seinem 70-minütigen Programm transportiert er seine Erlebnisse und Ergebnisse - unterwegs entstehen neue Daumenkinos - auf die Bühne, projiziert über eine Kamera seine Kunst auf die Leinwand und erzählt von seinen Wanderschaften, die ihm körperliche Schmerzen bereiteten, oft auch "tiefes Glücksgefühl".

3000 Fußmarschkilometer liegen hinter Gerling, der unterwegs oft allein ist ("Das kann ich aber auch genießen."), sehr selten aber einsam. Gespräche führt er schließlich allerorts - wenn er Menschen über den Gartenzaun und aus seinem Bauchladen heraus seine Wanderausstellung präsentiert und mit einem Daumenstreich einen Moment lang Poesie in ihren Alltag zaubert.