„Das erste Bild dauert immer am längsten“
Die Wuppertaler Illustratorin Ulrike Möltgen hat in den vergangenen Monaten fünf Bücher für Kinder und Jugendliche bearbeitet.
Mirke. Ein düsterer Wald, eine kunterbunte Kinderlandschaft, mal eine Collage, dann wieder feine Pinselstriche - Ulrike Möltgen liebt Abwechslung. „Wenn ich so farbig voluminös wie beim Bär arbeite, dann habe ich wieder Lust auf etwas ganz anderes.“ Fünf Bücher hat die Illustratorin in den vergangenen Monaten bearbeitet, und jedes hat einen völlig unterschiedlichen Charakter. Nur der Arbeitsablauf, der bleibt immer der gleiche: Wenn der Text da ist, steht er erst einmal wie ein riesiges Monument vor der Künstlerin. „Anfangs mache ich einen großen Bogen drumherum.“
Tagelang schleicht Ulrike Möltgen durch die geräumige Altbauwohnung nahe des Mirker Bahnhofs und lässt die Worte und Figuren auf sich einwirken. Ob beim Gassi-Gehen mit dem Hund, beim Einkaufen oder beim Wäschewaschen - immer begleiten sie die Figuren ihres neuen Projekts. Nach und nach manifestieren sich Farben, die zu Szenen oder Figuren passen. Es schält sich heraus, welches Material sie verwenden will. Dann, irgendwann, setzt sich Ulrike Nöligen vor ein weißes Blatt Papier. „Das erste Bild dauert immer am längsten.“ Leicht zwei Wochen verbringt sie damit, bis jedes Detail seinen Platz, seine Form und die richtige Farbe hat. „Das Material hat auch einen eigenen Plan und kommt mir in die Quere“, erzählt die Illustratorin. „Aber das ist ja auch gut so.“
Ulrike Möltgen
Am liebsten sitzt sie auf dem Boden, umgeben von Farben, Papierschnipseln und Stoffen. Dann probiert sie aus, was passt. Ist das erste Bild geschafft, arbeitet sie die restlichen der Reihenfolge nach ab. „Manchmal komme ich dann in einen Flow und arbeite 15 Stunden am Tag, fast ohne es zu merken.“ Die Sammlung, die sie auf dem Tisch ausbreitet, ist bemerkenswert. Ganz aktuell ist der „Kleine Hävelmann“ von Theodor Storm: Der Autor wäre heute 200 Jahre alt geworden. Die Geschichte um den kleinen Jungen, der nicht schlafen will, hat Ulrike Möltgen als Collage gestaltet. Sehr erschöpft sieht die Mutter aus, die stundenlang den Kinderwagen schieben muss. Aufsässig sitzt der Junge darin und fährt schließlich bis zum Mond hinauf. „Eine sehr aktuelle Geschichte“, findet die Mutter eines Teenagers. Für das Hemd, das dem Jungen als Segel dient, hat sie Gaze verwendet. „Das war schwierig, weil das auf dem Scanner nie so liegen geblieben ist, wie ich es haben wollte.“ Das Büchlein hat die Elberfelderin für die Insel-Bücherei illustriert. „Ich habe sogar schon Anfragen für signierte Exemplare von Sammlern erhalten.“
Dem „Bär mit dem roten Kopf“ hingegen hat sie kräftige, flächige Farben gegeben. Die Geschichte war ihre Idee: Der Bär ist traurig, dass außer ihm niemand einen roten Kopf hat. Bis er auf einen Bär mit grünem Kopf trifft. Für Jugendliche hingegen ist „ich: #wasimmerdasauchheißenmag“ mit einer dementsprechend völlig anderen Bildgebung. „Ich habe das ein bisschen realistischer gemacht - wie Modezeichnungen“, erzählt Ulrike Möltgen. Der Kontakt zu dem Buch ergab sich auf der Buchmesse.
Schon mehrfach ausgezeichnet wurde „Wolfsbrot“ vom Verlag Kunstanstifter. Für den Jungen, der durch den dunklen Wald laufen muss, wählte die Künstlerin dunkle Farben und Umrisse, die verschiedene Deutungen zulassen. Und bei „Bluma“ pinselte sie feine Tusche-Striche. Nach all den vielen Büchern macht Ulrike Möltgen jetzt eine künstlerische Pause. Und doch juckt es ihr schon wieder in den Fingern. Lange kann es nicht dauern, bis der Boden wieder mit Papierschnipseln bedeckt wird.