Elberfeld. Das fliegende Klassenzimmer
Elberfeld. · Ehemalige LTU-Flugbegleiter trafen sich 30 Jahre nach ihrer gemeinsamen Ausbildung wieder.
Honigstal statt Malediven: Sein endgültiges Ziel konnte Pilot Christian Rings ganz ohne Flugzeug erreichen. Vor einigen Jahren hat der Wuppertaler die Fliegerei an den Nagel gehängt und betreibt das idyllisch gelegene Landhaus im Grünen zwischen Friedrichsberg und Küllenhahn.
Eine Crew hatte er am vergangenen Wochenende aber doch noch einmal – eine ziemlich große sogar. Rings war Gastgeber beim Treffen ehemaliger LTU-Flugbegleiter, die sich 1989 im Grundkurs kennengelernt haben. Eine von ihnen ist die Wuppertalerin Birgit Kuni, Organisatorin des Nachmittags im Bergischen, bei dem viele Erinnerungen wach wurden.
Vom Rhein und aus der ganzen Region waren die Ex-Kollegen angereist, das Wiedersehen unter Sonnenschirmen wirkte wie eine Mischung aus Klassentreffen und Familienfeier. „Alle sind irgendwann schon mal miteinander geflogen und kennen sich“, sagt Frank Bäumer, der aus Mönchengladbach nach Wuppertal gekommen ist. Vor allem aber habe man auch private Zeit miteinander verbracht, denn für manche Ziele gab es damals nur einen Flug pro Woche – beispielsweise nach Sri Lanka oder auf die Malediven – und so blieb die Crew zusammen vor Ort und flog auch gemeinsam wieder zurück.
Geburtstagsständchen von
200 Passagieren in der Kabine
Das schweißt zusammen in einer Branche, die gern als oberflächlich verunglimpft wird. Doch dieser Blick von außen stimme oft nicht, sind sich die Kollegen einig. „Man arbeitet an Bord als Team und ist auf einander angewiesen – man verlässt sich darauf, dass der andere funktioniert“, sagt Birgit Kuni, die als 26-Jährige zur Fliegerei kam. In der Rückschau sind es natürlich die schönen, spaßigen oder auch kuriosen Momente, die im Gedächtnis geblieben sind. Für Kuni beispielsweise der Flug in die Arktis, Touren nach Mombasa, Shoppen in Bangkok.
Bei einem Langstreckenflug über die Festtage seien Kolleginnen einst angehalten worden, Weihnachtslieder zu singen – nicht für jeden ein angenehmes Erlebnis. Flugbegleiterin Sabine Dichter wurde ihrerseits zum Geburtstag an Bord mal ein Ständchen gebracht: 200 Passagiere gratulierten lautstark im Chor.
Immer wieder erstaunlich sei, wie Urlauber teils so gar nicht an klimatische Unterschiede dächten und nach dem Start bei 40 Grad Stunden später mit Shorts und Flip-Flops in winterlicher Eiseskälte landeten.
Die wichtigsten Fragen der Reisenden beim Einsteigen in den Flieger nach Hause lauteten damals „Wie ist das Wetter?“ und „Haben Sie eine deutsche Zeitung dabei?“ Während heutzutage jeder seine Wetter-App habe und Nachrichten aufs Handy bekomme, sei man damals in der Ferne auf die Internationale Presse angewiesen – und so hat Sabine Dichter 1989 durch die Financial Times vom Fall der Mauer erfahren.
Legendär waren
die „After-Landings“ am Zielort
Kritisch sei es mit Hurrican Andrew gewesen, der Anfang der 90er Jahre in Florida wütete und auch für die Crews bedrohlich war. Am nächsten Tag habe man sehen können, wie Flugzeuge umgekippt auf dem Vorfeld gelegen hätten. „Später gab es dann T-Shirts mit dem Aufdruck ,I survived Hurrican Andrew“, sagt Flugbegleiterin Ina Mertens.
Legendär seien die „After-Landings“ gewesen, ein Ritual nach der Ankunft am Zielort, das mitunter feucht, vor allem aber fröhlich ausfiel. Es habe zur guten Gemeinschaft beigetragen und dazu, nach einem langen Flug runter zu kommen – buchstäblich. „Das war immer ein schöner Abschluss“, sagt Frank Bäumer, „danach ist man dann nach Hause gefahren und war wieder der private Mensch.“ In einem Beruf, der derartig öffentlich ist, sei es wichtig, „den Schalter umlegen zu können“.
Viel haben die LTUler miteinander erlebt. Die Kollegen seien immer ein bisschen Teil und manchmal Ersatz für die Familie gewesen. „Deshalb sind wir auch uns auch nah, obwohl wir einander teils 15 Jahre nicht gesehen haben“, sagt Bäumer.
Er fliegt immer noch und ist heute Purser bei Brussels Airlines. Birgit Kuni steuert mit TuiFly Mittelstreckenziele an, und Ina Mertens arbeitet bei der Lufthansa. „Es macht immer noch Spaß“, sagt Birgit Kuni – sonst würde sie es nicht machen.
Andere haben die Fliegerei an den Nagel gehängt. So eben Gastgeber Christian Rings, auf dessen Anwesen sich die ehemaligen LTU-Flugbegleiter sichtlich wohlfühlten. Schnell wurden Fotos ausgetauscht und Sätze mit „weißt Du noch...?“ begonnen. Natürlich ging es viel um die alte Airline, aber auch um Air Berlin. Die letzte Landung eines Air Berlin-Flugzeugs in Düsseldorf sei denn auch ein emotionaler Moment gewesen, den zahlreiche Kollegen geteilt hätten. Fliegerei ist eine Herzensangelegenheit, da sind sich die Flugbegleiter einig, und Leidenschaft gehöre dazu, sagt Frank Bäumer: „Ohne Empathie und ohne Leidenschaft kann man diesen Job nicht machen.“